Kein Platz für die Heimkehrer

In Bosnien stehen einer Rückkehr der Flüchtlinge noch viele Hindernisse im Weg. Grüne: Fristen der Bundesregierung sind zu kurz  ■ Aus München Georg Baltissen

Es war alles geregelt. Die Polizei der „Republika Srpska“ hatte ihre Zustimmung gegeben. Die bisherigen Flüchtlinge hatten eine neue Unterkunft gefunden. Und die vier muslimischen Familien wurden bei der Rückkehr in ihre früheren Wohnhäuser bei Banja Luka vom UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) begleitet. Doch die Freude wurde jäh gedämpft. Tausend serbische Frauen und Kinder demonstrierten vor den Häusern gegen die Rückkehr der Muslime.

Die notwendige „Aussöhnung“ in Bosnien, die eine Integration der Flüchtlinge erst ermöglicht, wird aber nicht nur von der Straße sabotiert. Der Bürgermeister von Bugojno verweigert 200 Familien die Rückkehr in ihre Häuser. Und die Regierung der bosnischen Föderation hat ein Gesetz erlassen, das faktisch verhindert, daß Flüchtlinge ihre früheren Wohnungen wieder beziehen können. Laut diesem Gesetz hätten Rückkehrwillige aus dem Ausland zwei Wochen nach Inkrafttreten des Dayton-Abkommens, also bis spätestens Ende Dezember 1995, ihren Anspruch auf die frühere Wohnung anmelden müssen.

Um die Rückführung der bosnischen Flüchtlinge steht jetzt neuer innenpolitischer Streit ins Haus. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Kerstin Müller, hält den von der Innenministerkonferenz festgelegten Zeitrahmen für verfrüht. Auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing sagte Müller, daß es unzumutbar sei, die Flüchtlinge in jene Dörfer und Städte zurückzuschicken, in denen noch ihre Peiniger und Vergewaltiger lebten. Nach einer sechstägigen Reise durch Bosnien habe sie den Eindruck gewonnen, daß sich das Land noch im Kriegszustand befinde.

Laut Beschluß der Innenministerkonferenz sollen in einer ersten Phase ab 1. Juli 1996 Ledige und Ehepaare ohne Kinder zurückkehren. Ab 1. Mai 1997 sollen dann die anderen folgen. Ausgenommen sind Härtefälle, wie zum Beispiel vergewaltigte Frauen. Die Vertreterin des UNHCR in Bonn, Judith Kumin, bestätigte, daß alle Seiten gegenwärtig die Rückkehr anders- ethnischer Flüchtlinge verweigerten. Die „Republika Srpska“ in Bosnien erkenne die bosnischen Pässe nicht an, weshalb gegenwärtig nicht einmal Besuchsreisen von Flüchtlingen möglich seien. Staatssekretär Kurt Schelter vom Bonner Innenministerium beharrte indes darauf, den zwischen Bund und Ländern vereinbarten Zeitplan einzuhalten. Eine Aufweichung dieser Vereinbarung, so Schelter, führe nur dazu, daß die Kriegsparteien die in Dayton festgelegte Rückkehr aller Flüchtlinge in ihre vorherigen Wohngebiete sabotierten.

Im Gegensatz zu Schelter, der jedes weitere Abwarten als das „falsche Signal“ bezeichnete, forderten Kumin und Müller, daß erst die Voraussetzungen für die Rückkehr der Flüchtlinge verbessert werden müßten. Dazu gehöre die Schaffung von Wohnraum und Arbeitsplätzen, die Räumung der Minen und eine Sicherheitsgarantie. Als weitere Voraussetzung nannte Kumin eine Amnestie für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, die in der „Republika Srpska“ noch ausstehe.

Eine Muslimin aus Bugojno, die mit einem Serben verheiratet ist, sagte: „Wir wollen nicht auf immer hier bleiben. Es ist nur zu früh, die Menschen jetzt zurückzuschicken.“ In den nächsten Wochen werden die ersten Ausweisungsbescheide verschickt werden.