„Große Koalitionen bekommen uns nicht gut“

■ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Otto Schily findet das Wahlergebnis enttäuschend

taz: Herr Schily, Kohl produziert 5 Millionen Arbeitslose und...

Otto Schily: ... nicht nur das: den höchsten Schuldenstand, die höchste Abgabenbelastung, ein Pleitenrekord – und trotzdem findet die CDU Vertrauen im Lande. Das Wahlergebnis ist enttäuschend.

Außer einer populisitschen Aussiedlerkampagne hatte die SPD nichts zu bieten.

Wir haben in der Arbeitsmarktpolitik, Steuerpolitik gute Konzepte. Aber wir haben das einfach nicht vermitteln können.

Lag's am Vorsitzenden?

Nein, die Gesamtpartei ist gefragt! Die Kommunikation mit den Menschen muß besser werden. Und die Frage ist: Muß die SPD nicht doch eine radikalere Steuerreform formulieren? Die Menschen sind es leid, daß sie 50 Prozent und mehr loswerden.

Der blasse Scharping wird durch den dynamischen Lafontaine ersetzt – alles vergebens.

Widerspruch! Scharping ist nicht blaß, sondern einer der kompetentesten Politiker Deutschlands. Bitte keine neue Personaldiskussion! Ich will das Ergebnis nicht schönreden, aber: Wir haben in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz gewonnen! Wir können die Regierungen fortsetzen...

Mit Ach und Krach.

Mit einigen Blessuren. Nur in Baden-Württtemberg ist das Ergebnis katastrophal. Große Koalitionen sind uns in jüngster Zeit nicht gut bekommen.

Dieter Spöri war ratlos, den Tränen nahe. Der Trend ist gegen Sie.

Ach, der Genosse Trend geht hin und her. Spöri hat sich ungeheuer engagiert, da kann man die Enttäuschung nicht verdenken.

Die Wähler stützen, was Sie eine Bankrottregierung nennen.

Es gibt in Deutschland die Neigung, sich in Krisenzeiten nach rechts zu wenden. Und: Wir haben in Stuttgart mit einer rot-günen Koalition geworben, dafür waren auch die Querelen in Düsseldorf nicht gerade hilfreich.

Rot-Grün ade?

Nein! Das sage ich überhaupt nicht – das bleibt eine wichtige Option. Die Bevölkerung ist für ein Reformbündnis zu haben.

Die taz hat nach den Berlinwahlen getitelt: „SPD deutlich über 5 Prozent“. Ist das Ihre Zukunft?

Das war witzig, sehr giftig, da hab' ich sehr darüber gelacht.

Die Schlagzeile können wir wohl immer wieder rausholen.

Das fände ich ein bißchen übertrieben. Interview: N. Thomma