Rot-Grün zu heiß gewaschen

■ SPD redet Landtagswahlschlappen schön. Grüne rechnen mit langer Oppositionszeit. Gemeinsam geht gar nichts

Berlin (taz) – Rot-grüne Bündnisse sind nur zwei Tage nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in weite Ferne gerückt. Der grüne Bundestagsabgeordnete Rezzo Schlauch übte sich gestern im neuen Realismus. Seine Partei müsse sich, sagte er, vom „Automatismus Rot-Grün emanzipieren“. Er ahnte, daß die Grünen „wahrscheinlich länger Oppositionspartei bleiben werden, als ihnen lieb ist“. Schlauch empfahl eine größere Distanz zur SPD: „Wenn man sich ständig an einen konstanten Verlierer bindet, kommt man in die Gefahr, auch in den Strudel gerissen zu werden.“ Bundesvorstand Jürgen Trittin versuchte die positive Wendung. Die SPD habe dort am wenigsten verloren, wo sie ein „klares rot-grünes Profil“ gezeigt habe.

Aus dem von Schlauch ausgemachten „Strudel“ SPD toste es gestern vor allem von links. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner lobte die Zusammenarbeit im eigenen Haus über den rot- grünen Klee als „wirklich stabile, die Wirtschaft fördernde Alternative“. Die SPD- Vorstandsfrau Heidemarie Wieczorek- Zeul kritisierte ihre Bonner Fraktion wegen zu lascher Opposition. Die stellvertretende Bundesvorsitzende Herta Däubler- Gmelin nannte den SPD-Wahlkampf in Baden-Württemberg „gnadenlosen Opportunismus“. Der stellvertretende Bonner Fraktionschef Otto Schily mutmaßte: „Große Koalitionen sind uns in letzter Zeit nicht gut bekommen.“

Dagegen meinte der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, die Diskussion um den Aussiedlerzuzug habe keinen Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt. Er habe weder daran noch am Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine auch nur „den geringsten Anlaß“ zu kritteln.

Schröder setzte auf die immer noch vorhandene Mehrheit der SPD-regierten Länder im Bundesrat. Dort bleibt alles wie es ist – auch wenn Baden-Württemberg künftig von einer CDU-FDP-Koalition regiert wird. Der Unionsflügel kann weiterhin nur auf 16 der 69 Stimmen „sicher“ rechnen. Dem stehen 35 Stimmen der SPD-geführten Länder gegenüber, die ihre absolute Mehrheit nicht verlieren werden. Das bliebe allerdings nur dann so, wenn die Grünen ins Kabinett von Schleswig-Holstein kämen. Koalieren dort aber SPD und FDP, wäre die SPD-Mehrheit im Bundesrat bedroht. Auch Ministerpräsidentin Heide Simonis müßte sich an die Regel halten, daß Länder sich der Stimme enthalten, wenn die Koalitionspartner sich in Sachfragen nicht einigen können. Ein Bündnis mit der FDP brächte also den Verlust der bisher „sicheren“ vier SPD- Stimmen aus dem Norden.

Trotzdem verlagerte der vielgescholtene SPD-Chef Oskar Lafontaine seine Hoffnungen auf den Bundesrat. Seine Versuche, die Ergebnisse im Foyer des Bundestages schönzurechnen, verursachten gestern auch bei ParteifreundInnen ratloses Kopfschütteln.

Währenddessen sorgten gestern Unions-Politiker für den Spott, der dem Schaden folgt. Arbeitsminister Norbert Blüm: „Die Grünen saugen das Wirtstier SPD aus.“ Rot-Grün, so Generalsekretär Peter Hintze, habe sich als „Falle“ für die SPD erwiesen. Kanzler Kohl sagte, die „schwere Schlappe“ der SPD habe „einen Namen: Oskar Lafontaine“. Außerdem zieh auch er die Grünen des Vampirismus auf Kosten der SPD. Und streute gleich Salz in die Saugwunden. Er schließe langfristig, sagte der Kanzler, schwarz-grüne Bündnisse nicht aus – in einigen Gemeinden habe das schließlich gut geklappt. Heide Platen Seiten 2, 3, 4 und 10