Lebenswege nach Hamburg

■ Kriegsflüchtling und „Gastarbeiter“ aus Ex-Jugoslawien im Gespräch: Der eine will zurück, die andere weiß nicht wohin

Ihre Heimat, sagt Indira Al-Mahmaud, sei Banja Luca. Eine Rückkehr dorthin kann sie sich nicht vorstellen – als Bosnierin in ein heute serbisches Gebiet. Und überall sonst sei sie Ausländerin, ob in Sarajevo oder in Afrika. Deshalb würde sie gern in Hamburg bleiben, sagt die 36jährige, die vor mehr als drei Jahren mit ihrer Tochter vor dem Bürgerkrieg im früheren Jugoslawien flüchtete. „Ich fühle mich auch hier unsicher. Aber dort ganz besonders.“

Ihren Lebensweg beschrieb die Muslimin am Montag abend in der Ausländerinitiative St. Georg. Die Geschichtswerkstatt und das Stadtteilhaus St. Georg, Die Neue Gesellschaft und der Hamburger Ausländerbeauftragte wollen mit einer Veranstaltungsreihe „Lebenswege – Vom Anwerberland zum Einwanderland“ Gelegenheit geben, die in Hamburg lebenden ausländischen Menschen „endlich zur Kenntnis zu nehmen“. Sehr persönlich und unterschiedlich erleben und beschreiben die MigrantInnen „ihre neue Heimat“, wie Moderator Michael Joho sie bezeichnete. Während Indira, wie sie sagt, sich hier gut eingelebt hat, möchte Radovan Todorovic, der vor 26 Jahren als „Gastarbeiter“ angeworben wurde, wieder „zurück“ – irgendwann.

Der in Belgrad geborene Serbe hatte bereits als junger Mann eine Polit-Karriere hinter sich. Einen Posten, den er anstrebte, bekam er nicht – aus Enttäuschung, sagt er, habe er sich um Arbeit in Deutschland beworben. Am Hamburger Hauptbahnhof wurde er im September 1970 von fähnchenschwingenden Menschen begrüßt. Zunächst als Straßenbahnfahrer, später als Busfahrer, kurzzeitig als Dolmetscher und nebenbei als Lehrer arbeitete der heute 47jährige bis heute in Hamburg. Vom Bürgerkrieg in seiner Heimat erfuhr er aus der Zeitung.

Die Muslimin Al-Mahmaud hat den Krieg in Banja Luca jeden Tag deutlicher gespürt, berichtet sie. Sie behielt ihre Stelle als Laborleiterin, sollte zur Arbeit jedoch nicht mehr erscheinen. Nach und nach bekam sie das Gefühl, nicht mehr in diese Stadt zu gehören, ohne Rechte dazustehen. Ihre Tochter erhielt als Muslimin keine Schulbücher, ihr Großvater wurde getötet. An ihrem Geburtstag habe sie die Erlaubnis zur Ausreise erhalten.

Al-Mahmaud arbeitet heute in Hamburg als Dolmetscherin und Sozialarbeiterin für bosnische Kriegsflüchtlinge. Die meisten von ihnen, weiß sie, wollen hier in Hamburg bleiben. „Oder weiter, nach Amerika oder Kanada.“ Daher hoffe sie immer noch, für sich und die anderen, daß die „Rückführung“ nicht so durchgeführt werde wie geplant. Stefanie Winter