Neue Haushaltslöcher – Sparorgie droht

■ Finanzsenator Runde verhängt Haushaltssperre, weil mehrere 100 Millionen Mark fehlen

Schon in den nächsten Tagen droht Ärger im Paradies: Ob Dienstreisen, Bücher, Gutachten, Kaugummi oder Bleistifte – alle Ausgaben, die nicht gesetzlich vorgeschrieben oder „unabweisbar notwendig“ sind, werden in Hamburgs Behörden gesperrt. Finanzsenator Ortwin Runde ordnete nach einem tiefen Blick in neue, Hunderte von Millionen Mark gewaltige Abgründe der Stadtkasse eine sofortige Haushaltssperre an. Die Kontrolle überließ er freilich gnädig den Behörden selbst. „Wir wollen keinen Rückfall in die zentralistische Planwirtschaft. Die Behörden sollen selbstverantwortlich wirtschaften“, erläutert ein Sprecher der Finanzbehörde. Tun sie das nicht, „sind sie dumm dran“.

So will Runde konkrete Maßnahmen zwar erst im Juni nach Vorlage der Steuerschätzung vom Mai verordnen – doch wer bis dahin nicht ordentlich gespart hat, muß dann um so härter ran. Auf Hamburgs BürgerInnen kommt damit spätestens im zweiten Halbjahr neues Ungemach zu: Mehrere 100 fest eingeplante Millionen Mark, so stellte jetzt die Finanzbehörde beim Kassensturz erschrocken fest, sind urplötzlich aus der Stadtkasse verschwunden. Voraussichtlich schon im Juni wird der Senat weitere drastische Sparmaßnahmen für 1996 und 1997 beschließen.

Während Experten Runde seit Monaten auf die drohende Haushaltskrise hinwiesen und vorbeugende Schritte forderten, nahm die Finanzbehörde erst jetzt offiziell Kenntnis von der neuen Finanzkatastrophe: Satte 226 Millionen stahlen sich bereits 1995 davon, wie sich beim „Haushaltsabschluß 1995“ herausstellte. Bei diesem zusätzlichen Viertel-Milliarden-Loch wird es, so räumt Ortwin Runde ein, nicht bleiben: Die Fehlschätzung des Jahres 1995 ist ein Indiz für eine Fehlkalkulation auch 1996. Der dramatische Konjunktureinbruch, bei der Verabschiedung des Etats 1996 überhaupt nicht berücksichtigt, setzt sich schließlich bis heute fort.

Nach vorsichtigen Schätzungen von Insidern muß Hamburg für 1996 mit weiteren Einnahmeausfällen von 300 bis 800 Millionen Mark rechnen. Das wahre Ausmaß des Desasters will Runde den HamburgerInnen freilich nur scheibchenweise vermitteln: Im Mai, nach der nächsten Steuerschätzung, soll es erste Anhaltspunkte geben. In den Senatsberatungen für den Haushalt 1997, bislang für den Mai vorgesehen, wird dann nicht nur auf die bisherigen Spar- und Konsolidierungsprogramme draufgesattelt – auch ein Sondersparprogramm 1996 steht zu erwarten.

Aller Voraussicht nach werden die Sparquoten für die einzelnen Behörden deutlich erhöht. Der Verkauf von Stadtvermögen dürfte vorgezogen und ausgeweitet sowie ein Stop für Schienenverkehrsprojekte verhängt werden. Schon bislang hatte Hamburg für 1996 ein 3,2-Milliarden-Loch eingeplant: 1,8 Milliarden sollen durch Investitionskredite, 1,4 Milliarden durch Vermögensverkauf organisiert werden. Daß die Einsparung von Dienstreisen, Radiergummis und Büchern nicht ausreichen wird, um das zusätzliche Loch von 500 bis 1000 Millionen zu stopfen, wird auch in der Finanzbehörde nicht bestritten. Über konkrete neue Sparattacken schweigen sich die Finanzjongleure am Gänsemarkt jedoch vornehm aus: „Solange wir das genaue Ausmaß der neuen Sparnotwendigkeiten nicht kennen, werden wir nicht mit Vorschlägen an die Öffentlichkeit gehen.“

Florian Marten