„Management by Hennemann“

■ „Lieber Fritz“ - Ein kritischer Brief an Hennemann von Rudolf Hickel

Bremen, den 25. März 1996

Lieber Fritz,

trotz meiner in den Medien wiederholten Kritik an Deiner Arbeit als Vorstandsvorsitzender des Bremer Vulkan Verbundes, vor allem aber an Deinen Rechtfertigungsversuchen in den letzten Wochen, denke ich, wir können beim alten Du bleiben.

Ich schreibe Dir diesen Brief mit einer unmißverständlichen und eindringlichen Bitte: Unterlasse unverzüglich in der Öffentlichkeit die Behauptung, unter Deinem Vorsitz wäre der Bremer Vulkan nicht in die Krise geraten... Du wolltest, wie Du mit Deinen Interviews belegst, den Platz unter keinen Umständen freimachen, weil Du Dich als unersetzlich interpretierst...

Auch ich gehöre zu den Bewunderern Deiner Vision für einen maritimen Sektor... Jedoch, zwischen dieser Vision und Deiner Praxis als Vorstandsvorsitzender klafft ein eklatanter Widerspruch... .

Mit dem Ziel, Deine Legendenbildung zur existenbedrohlichen Krise des Bremer Vulkan zu konterkarieren, gebe ich in unsystematischer Form folgende kritische Hinweise:

1. Du behauptest, Anfang 1995 hätte das Gesamtunternehmen über eine Liquidität von einer Milliarde Mark verfügt. Die Zahl wird wohl einigermaßen stimmen. Aber diese Liquidität geht eben nicht auf Gewinne aus operativen Geschäften zurück, sie resultiert vorrangig aus den Subventionen – vor allem von der Treuhand-Anstalt für das Engagement an den Standorten in Mecklenburg-Vorpommern. Darin offenbart sich das Grundproblem Deiner Politik: Das gesamte Gebäude beruhte auf dem Prinzip Hoffnung, irgendwann würden auch mal Gewinne erwirtschaftet... .

2. ... Du hast zugelassen, daß die für die ostdeutschen Werftenstandorte gebundenen Mittel nicht vorübergehend geparkt wurden, sondern in Unternehmen geflossen sind, die auf absehbare Zeit zur Rückerstattung nicht fähig waren... Mit dieser Praxis wurde jedenfalls den Grundregeln des konzernbezogenen Cash-Managements widersprochen...

3. Du verweist auf den Vorstand sowie die operativen Geschäftsführer, die ebenso in der Verantwortung stünden. In der Tat frage ich mich nach dem aktiven Beitrag dieser hochbezahlten Verantwortlichen. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, daß Du ein ausgesprochen autoritäres Führungsmodell, das allen Regeln modernen Managements widerspricht, praktiziert hast... :

–Im Sommer 1993 hatten Heinrich Heseler, Jörg Huffschmid und ich ein Gutachten zur Schichau-Sebeck-Werft dem dortigen Betriebsrat und der Geschäftsleitung in Bremerhaven vorgelegt. Darin wurde dringender Investitionsbedarf für diesen Standort in Bremerhaven nachgewiesen. Der Vorstand, der dieser Aussage prinzipiell zustimmte, hatte nur eine Sorge, diese Erkenntnisse geheim zu halten... Die Kompetenzzentralisierung im gesamten Konzern erzeugte angstvolle Abhängigkeit und wirkte ökonomisch kontraproduktiv... .

–Aber auch innerhalb des Konzernvorstands mangelte es an Kooperation. Alle Entscheidungen waren autoritär auf Dich zugespitzt. Ein Klima des Unterordnens herrschte vor. Manfred Timmermann, den ich aus meiner Zeit an der Universität Konstanz kenne, ist letztlich wegen dieses autoritären Führungsstils gegangen... Du hast gegen den wesentlichen Grundsatz eines funktionsfähigen Managements in einem derartigen Großunternehmen verstoßen: Zwischen den anderen Vorstandsmitgliedern, vor allem aber mit dem Finanz-Controller, muß eine gesunde Konkurrenz im Klima der Kooperation gesichert werden.

–... Darüberhinaus hast Du selbst, wie ich weiß, aktiv Einfluß auf die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden genommen. Vor weni- gen Jahren gab es den Versuch der Banken, diese Praxis zu ändern. Gesucht wurde eine starke Persönlichkeit als kritischer Gegenpart zu Dir... Vielleicht wäre die Entwicklung anders gelaufen, wenn ein in kritischer Distanz zu Dir stehender AR-Vorsitzender die Kontrollarbeit übernommen hätte. Schließlich ist Deine Einflußnahme auf die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern zu erwähnen. Die Funktion Claus Grobeckers als Kapitalvertreter und späterem Arbeitsdirektor bei der Deutschen Seereederei, die eine Zeit lang unter Deinem Einfluß stand, belegt diese Praxis. Die Gewerkschaften im Aufsichtsrat nehme ich ausdrücklich in Schutz. Bei über 20000 Beschäftigten sind diese schnell in eine schwierige Lage geraten... Freilich müssen die Gewerkschaften aus diesen Erfahrungen ihre Lehre ziehen.

3. Selten habe ich im Bereich der Banken und der Konkurrenzunternehmen eine solche Feindseligkeit gegenüber einem Vorstandsvorsitzenden vernommen. Gelegentlich habe ich Dich darüber informiert. Auch ein Vorstandsmitglied einer der führenden Konsortialbanken des BremerVulkan hat Deine Führungsqualitäten schon vor Jahren mir gegenüber bezweifelt. Sicherlich gehört ein eiskalter Umgang mit der Konkurrenz zu dieser Wirtschaftsweise... Die Häme über Deinen Fall ist daher heute auch sehr groß.

4. Ich will dieses Schreiben objektiv darauf ausrichten, die Lehren aus den Fehlern Deines Managementkonzepts zu ziehen. Dennoch sei mir erlaubt, Dich an den Umgang mit mir als Kritiker Deines Managements zu erinnern. Ich hatte Dich im Rahmen Deines tempo-rären finanziellen Engagements für das Interessentenmodell zur Stahlhütte Bremen in einer Fernsehsendung (“Buten und Binnen“) kritisiert... Kaum war ich zu hause angekommen, da erhielt ich per Fax die Kopie einer geharnischten Kritik über mich an den damaligen Bürgermeister Wedemeier. Seit diesem Vorgang war mir persönlich klar, wie Du versuchst, Kritiker zum Schweigen zu bringen. Stell Dir vor, ich hätte dann noch auf Deiner Gehaltsliste gestanden. Die fristlose Entlassung wäre die Folge gewesen.

Da Du in Deinen bisherigen Äußerungen in den Medien kein Wort der Selbstkritik aufgebracht hast und die Schuld nur bei den anderen suchst, habe ich diese Erfahrungen niedergeschrieben. Wenn Dir wirklich die von der Krise bedrohten Beschäftigten am Herzen liegen, dann erweise Ihnen Deine Hilfe. Verzichte auf weitere selbstdarstellerische Rechtfertigungsinterviews... Persönliche Rechthaberei nützen den Menschen und der Region nicht nur nicht, sie belasten die Rettungsmaßnahmen in Bremen, beim Bund und vor allem auch bei der EU.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Hickel