Mit Strapsen in die Zeitung

Über eine Veranstaltung der FrauenfrAKTION: Von LeserInnen, die nicht wissen, was sie wollen, und ChefredakteurInnen, die nicht wissen, was sie sollen  ■ Von Petra Welzel

Es ist egal, ob frau das Pferd von hinten oder von vorn aufzäumt: Die Podiumsdiskussion, zu der die Berliner FrauenfrAKTION am Montag abend ins Haus der Demokratie eingeladen hatte, hat ganz bestimmt nicht das bewirkt, was die Veranstalterinnen beabsichtigten. Als Leserinnen hatten sie sich auf die Suche gemacht nach einer Tageszeitung, die Leserinnen sucht. Anlaß: der angewachsene „Unmut über das, was über Frauen berichtet, oder besser, was über Frauen nicht berichtet wird in den linksliberalen Tageszeitungen dieser Stadt“, wie es Initiatorin Halina Bendkowski formulierte.

Margret Lünnenberg hatte sich die Mühe gemacht, Dutzende von Blättern zu durchforsten. Unter anderem monierte sie, wie über Frauen geschrieben würde, wenn überhaupt über sie geschrieben wird. Rockfarben, -längen und Lippenstifte von Politikerinnen sind für Lünnenberg Kennzeichen einer Trivialisierung der politischen Kompetenz von Frauen. Schlagzeilen wie die über die „halterlosen Strümpfe“ der Münchner SPD-Politikerin Renate Schmidt entlocken ihr nur noch den Kommentar: „Da fasse ich mir doch ans Hirn!“ Was Frauen zur Fusionsdebatte zu sagen haben, wie sie der Sozialabbau trifft, fände in den Tageszeitungen keinen Platz.

Diese Ansichten wollten die von der FrauenfrAKTION zur Diskussion gebetenen ChefredakteurInnen nicht so ganz teilen. Gekommen waren von der Jungen Welt Klaus Behnken, vom Neuen Deutschland Helfried Liebsch, für die taz Arno Luik und als einzige stellvertretende Chefredakteurin von der Berliner Zeitung Georgia Tornow. Die stellvertretende Chefredakteurin des Tagesspiegel, Monika Zimmermann, hatte erst nachmittags mit der Begründung abgesagt: „Der Tagesspiegel macht schon genug Unsinn, den müssen wir jetzt nicht auch noch mitmachen.“

Ausgerechnet die einzige weibliche Stellvertreterin Georgia Tornow torpetderte dann auch noch Lünnenbergs Kritik. Obwohl sie selbst „Abnutzungserscheinungen“ gegenüber Frauenthemen bei sich bemerke, gäbe es immer noch Punkte, bei denen sie anspringe. Mit der Berichterstattung über „Hillu“ Schröder, der Ehefrau des niedersächsischen Ministerpräsidenten, sei ein solcher Punkt erreicht gewesen. Das, fand Tornow, sei doch nur noch gemein. Was die bayrische SPD-Politikerin beträfe, habe sie allerdings eine ganz andere Meinung: „Wäre ich Renate Schmidt, hätte ich zwei Wochen wie ein Stier gearbeitet und wäre dann doch nicht erwähnt worden, hätte ich mir auch – mit Verlaub – halterlose Strapse angezogen.“ Diejenigen, die in den Medien präsent sein wollten, benutzten solche Strategien – auch Politikerinnen. Und frau läge fehl in der Annahme, wenn sie glaube, im hinteren Teil der Zeitung lese niemand mehr. Gerade der Lokalteil interessiere die meisten LeserInnen.

Zwei Frauen, zwei Meinungen. An dieser Stelle hätte die Diskussion eigentlich weitergehen müssen. Doch genau diese gegensätzlichen Sichtweisen von Frauen wollten frauenbewegte Leserinnen an diesem Abend nicht hören. Von den Zeitungsmacherinnen, den Redakteurinnen und Autorinnen fordern sie einen „geschlechtsspezifischen Blick“. Wie der aber konkret auszusehen habe, was überhaupt „der geschlechtsspezifische Blick“ sei, wurde auf Nachfrage gar nicht erst beantwortet. Statt dessen wurde der stellvertretenden taz-Frauenredakteurin ein Maulkorb erteilt. Wer eine solche Frage stelle, sei in einer Frauenredaktion auf dem falschen Posten – meinte zumindest eine Dame der FrauenfrAKTION.

An den männlichen Chefredakteuren ging diese Diskussion uneiniger Frauen mehr oder weniger vorbei. Ihnen fiel kaum mehr ein, als Asche über ihre Häupter zu schütten. Einig waren sie sich darin, daß die Berichterstattung über Frauen in ihren Zeitungen besser sein könnte. Einig waren sie sich aber auch darin, daß dies letztendlich am täglichen Geschäft scheitere: Da seien die Tickermeldungen, die fast ausschließlich über die Politik der Männer berichten. Und fraglich sei es auch, ob man andauernd über rechte Politikerinnen wie die ehemalige türkische Ministerpräsidentin Tansu Çiller schreiben müßte, so Arno Luik. Zudem hätte die Quotierung der Redaktionen keinen Einfluß auf die Berichterstattung und selbst die Redakteurinnen seien oft nicht an Frauenthemen interessiert. Was soll man da noch einfordern?

Kommentar aus dem Publikum: „Es ist doch wirklich schwachsinnig zu erwarten, das ausgerechnet die männlichen Chefredakteure die Speerspitzen des Feminismus wären. Mensch, ich bin schon froh, wenn die Kerle nicht mehr im Stehen pinkeln!“ In diesem Sinne – Schwamm drüber über diese Veranstaltung.