Oldies bald Goldies?

Trotz personeller Nöte hoffen die Charlottenburger Volleyballer weiter auf den Titel  ■ Von Nina Klöckner

Berlin (taz) – „Ja“, sagte Andrzej Niemczyk nach dem Spiel bei einem Gläschen Bier und ein paar Buletten und konnte sich dabei ein breites Grinsen nicht verkneifen, er habe seinen Spielerpaß schon beantragt. Vor kurzem ist der Trainer der Bundesliga-Volleyballer des SCC Charlottenburg 52 Jahre alt geworden, und es ist ein gutes Vierteljahrhundert her, daß der gebürtige Pole selbst auf die weiße Kugel drosch, bevor er seine aktive sportliche Karriere gegen eine Trainerlaufbahn eintauschte. Daß sich der gewichtige Trainer nach so langer Abstinenz demnächst wieder selbst ins Trikot zwängt, sollte wohl eher ein Scherz sein, doch ganz abwegig ist die Lösung nicht, denn seit Beginn der Saison ist Niemczyks Spielerkader erheblich geschrumpft und baldige Besserung nicht in Sicht.

Zum Lokalderby gegen Post Telekom Berlin konnte er gerade mal sieben Spieler in der Halle begrüßen, und das drei Tage vor Beginn der Play-offs um die deutsche Meisterschaft. Daß der Trainer nach dem Match dennoch zum Scherzen aufgelegt war, lag wohl an der routinierten Art, in der sich „meine Mannschaft aus der Affäre gezogen hat“. Mit 3:0 wurde der Stadtkonkurrent besiegt und damit aus dem Rennen um die deutsche Meisterschaft geschubst. Charlottenburgs Athleten sind damit als Rundenvierter alleiniger Titelaspirant aus der Hauptstadt.

Doch in ernsthafteren Momenten wird Niemczyk der malade Zustand seiner Mannschaft sehr wohl bewußt. Dann ziehen sich seine Augenbrauen zusammen wie kleine Gewitterwolken und bilden eine tiefe Furche über der Nase. Schuld an allem sei mal wieder das liebe Geld. Die meisten Bundesligamannschaften können sich nur einen kleinen Kader leisten. „Und wenn du die ganze Runde mit nur sechs oder sieben guten Leuten durchspielst, bleiben Verletzungen und Müdigkeit eben nicht aus.“

Bei allem Knurren über die finanzielle Situation scheint Niemczyk zu vergessen, daß er sich vor Saisonbeginn auch nicht gerade mit den Knackigsten der Liga umgeben hat. Meist bringen die Charlottenburger gute 180 Jahre aufs Spielfeld, was zwar an Erfahrung kaum zu überbieten ist, doch dem Zwicken und Zwacken im Gebein auch sehr förderlich. Zuspieler Mirko Culic (33) piesacken seit Wochen zwei verrutschte Wirbel, Marian Kardas (34) und Waldemar Kasprzak (32) wechselten sich mit Stirn- und Nebenhöhlenvereiterungen ab. Zwei junge Talente, denen Niemczyk „eine Chance geben wollte“, wurden vor kurzem aus dem Kader gestrichen. „Wenn die jungen Leute keine Lust haben, in ihren Sport zu investieren, müssen sie eben gehen“, begründete Manager Kaweh Niroomand die Disziplinarmaßnahme. So ist in den letzten Wochen in Berlin meist nur ein mickriges Häufchen Athleten zum Training erschienen, was für das blinde Zusammenspiel zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen nicht gerade förderlich ist, „dafür aber um so mehr für meine Figur“ (Niemczyk).

Zum Glück ist Andrzej Niemczyk mit seinen Problemen nicht allein. Pünktlich zu den Play-offs, die im Normalfall den sportlichen Saisonhöhepunkt darstellen, sind die pritschenden Stars allerorts ziemlich platt, die zuständigen physischen Betreuer können sich über Arbeitsmangel nicht beklagen. Beim Meister ASV Dachau feierte letzthin sogar der 45jährige Trainer Stelian Moculescu sein Comeback. Und die Verantwortlichen wimmern ob der mißlichen Lage ihrer Sportart vor sich hin. Es ist immer das gleiche: ohne Geld keine Stars, ohne Stars kein sportlicher Erfolg, ohne Erfolg kein öffentliches Interesse, ohne Öffentlichkeit keine Sponsoren. Langsam sollten die Volleyballer doch daran gewöhnt sein, daß ihre Sportart in unseren Landen nur schwer professionell zu vermarkten ist.

Niemczyk versucht dem Teufelskreis durch Erfolg zu entkommen. Den nationalen Pokal hält er bereits in den Händen, sein SCC ist damit im nächsten Jahr international vertreten. Auch für die heute beginnenden Play-offs verspricht sich der erfolgsverwöhnte Trainer einiges. Allerdings müssen seine „Oldies“ gegen die starke Mannschaft aus Moers im Viertelfinale schon alle Tatkraft aufbringen. „Wenn alle fit sind“, so Niemczyk, „haben wir eine gute Chance. Auch auf den Titel.“ Um den anderen Halbfinalplatz streiten sich Wuppertal und Aufsteiger Fellbach, Dachau und Friedrichshafen sind als Branchenführer automatisch fürs Semifinale qualifiziert.

Neben dem möglichst guten Abschneiden hat sich Andrzej Niemczyk noch ein anderes Ziel gesetzt. „Ich werde Berlin nicht verlassen, bevor ich die Halle an der Sömmeringstraße bis auf den letzten Platz gefüllt habe.“ Besonders Manager Niroomand habe sich über dieses Versprechen gefreut, erzählt Niemczyk, denn so, glaubt jener, „kann er mich bis an mein Lebensende verpflichten.“