Wer war doch gleich Dieter Spöri?

■ Die baden-württembergische SPD ist nach ihrer Schlappe auf der Suche nach neuen Köpfen und alten Inhalten

Stuttgart (taz) – Gestern gab es auf einer Seitenstraße im Stuttgarter Industriegebiet Zuffenhausen heftigen Applaus für Dieter Spöri. Der gescheiterte Spitzenkandidat der SPD, der seiner Partei das schlechteste Wahlergebnis seit Kriegsende in Baden-Württemberg bescherte (25,1 Prozent), hat das Klatschen nicht gehört. Arbeiter und Angestellten des Elektronikkonzerns Alcatel-SEL waren aus Angst vor Massenentlassungen auf die Straße gegangen. „Wir wissen, was wir ihm zu danken haben“, rief der Betriebsratsvorsitzende, „auch wenn heute alle auf ihm herumhacken.“

Hätte er das gehört, es hätte ihm gutgetan. Denn Spöri bot sich noch in der Wahlnacht der SPD als Sündenbock an, und alle schlugen drauf. „Es ist natürlich auch eine persönliche Niederlage“, sagte er, „denn der Wahlkampf war ganz auf Dieter Spöri zugeschnitten.“ Er spricht gern von sich als „Dieter Spöri“, so als stünde er neben sich, als wäre er nicht ganz bei sich. Diesen Eindruck hatten auch viele Wahlkampfbeobachter, die den oft fahrig und unkonzentriert wirkenden Wirtschaftsminister sogar verdächtigten, unter Tabletteneinfluß zu stehen. Richtiger als dieser Quatsch ist vielmehr, daß Spöri, obwohl er nun schon zum dritten Mal versuchte, das Amt des Ministerpräsidenten zu erobern, nie zu einer souveränen Aspirantenrolle gefunden hat und darum oft unsicher wirkte. Spöris Problem: Arbeiter und Unternehmer blieb er gleichermaßen verdächtig, weil er allen alles versprach. Vier Jahre lang reiste er von Betrieb zu Betrieb, die ängstlichen Arbeitgeber zu beruhigen. Er kam als SPD- Wirtschaftsschreck, und er ging als Freund. „Guter Mann“, sagten zwar viele, nachdem Spöri bei der Diskussion um die Bankenfusion oder die Dienstwagensteuer die Interessen der Unternehmer vertrat. Gewählt hat ihn von den konservativen Mittelständlern deswegen aber niemand. Gleichzeitig beruhigte er die irritierten Gewerkschaften, seine Wirtschaftsschmusepolitik diene doch nur dazu, Arbeitsplätze zu erhalten. Warum er das aber dann ausgerechnet zusammen mit den Grünen machen wollte, blieb vielen traditionellen SPD-Wählern eine unbeantwortete Frage. Viele zogen es deshalb offenbar vor, vorsichtshalber gar nicht zu wählen.

Spät, viel zu spät hat Spöri diese Entfremdung zur SPD-Basis erkannt und die Notbremse gezogen. Mit der Aussiedlerdebatte und seinen europafeindlichen Währungsthesen versuchte er in letzter Minute, wieder die Oberhoheit über die Stammtische zurückzuerobern. Glaubwürdig war das nicht. Im Gegenteil: Vielen ist bis heute nicht klar, für was Dieter Spöri eigentlich stand. Seine von ihm immer wieder bemühte Herkunft aus der „Backnanger Bronx“ jedenfalls sorgte nicht einmal mehr für Heiterkeitserfolg, und sein Hinweis auf die gelegentlichen Erfahrungen im Boxring dienten auch wohl mehr der Imagepflege als der körperlichen Ertüchtigung.

So entstand in den Köpfen der Wähler ein diffuses Bild des SPD- Spitzenkandidaten, der, je länger er sich mühte, modern zu wirken, nur eines erreichte: Man spürte, wie echt sein Gegenüber, der altmodische, aber ehrliche Erwin Teufel ist. Jetzt ist Boxer Spöri stehend k.o., und sein Name wird nicht einmal mehr als Obermeisterkandidat für Stuttgart gehandelt. Mit seinem Abtritt aber muß die SPD erst einmal fertig werden.

Niemand steht in der zweiten Reihe bereit. Fraktionschef Ulrich Maurer, der selbst gern vorneweg in den Wahlkampf gezogen wäre, wird mitverantwortlich gemacht für das katastrophale Abschneiden der Partei. Sein Hut hängt schon an der Garderobe. Philipp Maußhardt