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: Chungking Express

Filme sind aus Bildern. Zu dieser elementaren Sicht im Stil von „Der Ball ist rund“ ist ein junger Regisseur aus Hongkong gelangt. Und es ist wirklich erstaunlich, zu welch unverbrauchten Bildern es Wong Kar-Wai es dabei bringt. Man ist fast versucht zu sagen, daß jemand am anderen Ende der Welt ähnlich der Nouvelle Vague das Kino neu erfindet. Und mit der Nouvelle Vague hat er zumindest die Lust auf formale Experimente gemein. Da gibt es Reißschwenks und Gelbfilter, stillgestellten Vordergrund und Voice Over. Und diese stilistisch aufgeladenen Bilder sind das eigentliche Thema des Films. Dieser Imbiß mit den ordentlich aufgereihten Saucenflaschen, der die ganze Nacht im Neonlicht flackert. Dieser Plastikschrott, der überall in den Straßen von Hongkong steht. Immer wieder McDonalds und die in verwaschenem Blau gehaltenen Verfolgungen, die von Zeitlupen oder Filmrissen bedroht werden, lassen einen nicht mehr los.

In dieser Welt, einem Hongkong als Apotheose des billigen Neonschrotts, leben einsame Männer, die keine Namen mehr tragen. Wie der von einer Stewardeß verlassene Straßenpolizist 663, der mit seinem Plüschtier redet. Oder der Zivil-Polizist mit der Nummer 223, der die nächtliche Stadt nach Ananas-Dosen durchkämmt, deren Haltbarkeit am 1. Mai abläuft, weil ihn an diesem Tag May verlassen hat. Am Jahrestag ihrer Trennung sitzt er dann vor seinem Aquarium und stopft 30 Dosen Ananas in sich hinein, bis ihm schlecht wird. „In 57 Stunden werde ich mich in eine Frau verlieben“, sagt er an einer anderen Stelle, und man merkt, daß nur die Zahlen ihn vor dem Absturz bewahren. Den Bildern der Einsamkeit und der Nacht stehen solche der Lebensgier des Tages gegenüber. Dann trällert Faye, die im „Midnight Express“, dem Imbiß ihres Cousin, arbeitet, ihren American Dream und versenkt Flugzeuge im Aquarium von 663. Aus dem Brief der Stewardeß hat sie den Schlüssel zu seiner Wohnung stibitzt und sucht nun verliebt das Bettzeug nach seinen Haaren ab, wechselt den Zahnputzbecher und die Fische. Bis 663 sie erwischt. Aber dann ruhen Geschichte und Hauptdarsteller erst einmal aus.

Diese Coolness und die Intensität der Bildersprache stellen in manchen Momenten die Story bedrohlich still. Wong Kar-Wai ist aber nach diversen Auftragsarbeiten im kommerziellen Hongkong-Kino professionell genug, sich nicht seiner verwackelten Kamera, die auch daher rührt, daß er ohne Drehgenehmigungen drehte, hinzugeben. Immer wieder werden die beiden kurzen Geschichten über die Liebe miteinander verzahnt. Und wenn nur Nebenfigur auftreten, die sich im „Midnight Express“ einen Chef-Salat bestellen. Aber das ist bei Chungking Express nicht so wichtig. Denn, wie gesagt, Filme bestehen aus Bildern. V. Marquardt

Abaton, Aladin, Zeise