Aus dem visuellen Workshop

■ Der Vielschreiber Robert Kelly liest im Literaturhaus

Fast fünfzig Bücher kann Robert Kelly vorweisen. Er kritisiert nichts und schreibt alles, wäre da ein naheliegender Schluß. Sein gelegentlicher Mitautor Schuldt, in Hamburg und New York zu Hause, hat ihm eben dies Verdikt in einem Artikel in den Mund gelegt. Aber so ganz ernst sollte man das wohl nicht nehmen. Denn Kelly ist ein Handwerker par excellence, und als Professor für kreatives Schreiben weiß er genau, was es heißt, an Texten herumzufeilen. Und wo- rüber schreibt Kelly nun? Kaum eine Frage ist schwerer zu beantworten. Beim Durchlesen seiner in Deutschland nur spärlich und verstreut publizierten Prosa wird man objektnahen Verzerrungen ausgesetzt, ein Erlebnis, das ansonsten eher Bildbetrachtung als Textlektüre vermittelt. Keine in Holz oder Stein gehauenen Reliefs, vielmehr knallige Lichtkleckse, grotesk verformte Beulen sind es, die Kellys frostig-schöne Sätze im Licht entfalten. Von einer blauen Banane ist die Rede, fette Finger an einer winzigen Hand. Und die Assoziationslogik schlängelt weiter, am Ende des Bilderslaloms heißt es: „Eines Tages werde ich ein wunderschönes Ding ganz zu meiner Zufriedenheit formen, das Licht dunkel tönen oder das bloße Glitzern der Dinge schmecken, das innere Fleisch der Farbe schmecken und meine blaue Frucht in die Welt hinein wissen.“ Die kolorierten Ausstülpungen lassen sich auf nichts Privates, nichts Zeitgeschichtliches zurückführen. Stattdessen nähert sich der Autor dem musealen Antlitz der modern art. Auch Kellys Variationen auf Texte deutscher Dichter führen zu keiner Abkehr von diesem visuellen Background: „...ich will deinen Körper zurückgebogen um mich anzuschauen wie ein Gesicht den Mond anschaut.“ Wer will hier noch bestreiten, daß Form alles ist? In seinem privaten workshop hat der Mann, für den der Ort des Schreibens ein fast heiliges Thema ist, trotzdem vieles ausprobiert. Selbst Schauergeschichten und Krimis soll er verfaßt haben.

Stefan Pröhl

Literaturhaus, 20 Uhr