Tod den Werbetextern

■ Zweimal lustig Kabarett, als Solo und Quartett

Matthias Deutschmann

Wer erlaubt Werbetextern eigentlich, immer wieder so einfallslosen Blödsinn über Kabarett zu schreiben? „Im Nachtangriff wagt Deutschmann einen Blick zurück auf dieses Jahrhundert, dieses Jahrtausend. Was wird bleiben, was nehmen wir mit, mit welchen Themen werden oder sollten wir uns auch noch im Jahre 2001 beschäftigen...“ steht zum Beispiel in der Broschüre der Kammerspiele. Eine grausliche Zumutung für die Zuschauer ist das. Wer mag schon zugeben, ein solches Programm zu besuchen? Und ungerecht gegenüber Matthias Deutschmann ist es allemal: Dieser „wagt“ nicht, er ist entschlossen, er „blickt“ nicht, sondern schlägt zu, und belehren tut er schon gar nicht.

Den Titel seines neuen Programms Nachtangriff hat Deutschmann am Dienstag bei der Hamburg-Premiere ganz speziell für die Presse erklärt, damit sie nicht wieder einmal „völlig unverständlich“ oder „naja, der tritt eben auf, wenn es dunkel ist“, schreibt. Presse gehorcht hiermit brav und gibt die Erklärung weiter: Durch die von Habermas festgestellte „Neue Unübersichtlichkeit“ entstehe nämlich sinnliche Dunkelheit. Mitten in diese Nacht hinein will er angreifen.

In rasantem Tempo hechelt Deutschmann in zwei schnell vergehenden Stunden so ziemlich sämtliche Zu-, Miß- und Einstände der vergangenen Jahre durch. Da meint er, Deutschland müsse zweigeteilt bleiben, weil jeder Arsch zwei Hälften hat. Da reflektiert er „den historischen Versuch der SPD, sich mit nur einer Schlaftablette umzubringen“, und gibt zu bedenken, daß, wer alles erreichen will, am besten Rennfahrer werden solle. Und obwohl „die Moral im Moment Brunftzeit hat“, kriegen auch Feministinnen eins auf die Rübe.

Dabei reagiert er frech auf entsprechende Zurufe und streicht nebenbei gekonnt auf seinem Cello herum. Und weil das alles so klug und unterhaltsam ist, ruft die Presse hiermit Deutschmann dazu auf, sich unschöne Anti-Werbung zu verbitten. Nele-Marie Brüdgam

acapickels

Vier Frauen in pastellfarbenen Kostümen aus den Fünfzigern, bebrillt und mit Hut, treten singender- und schwatzenderweise im Schmidt-Theater auf. Ob das eine vierfache Persiflage auf Marlene Jaschke ist? Falsch. Es sind die acapickels aus der Schweiz. Lotti Stäubli, geb. Schaufelberger, Barbara Hutzenlaub, Helga Schneider und Juliette Blamage fragen: Kann denn Singen Sünde sein? Sie zwingen die Gäste zum Lachen, wenn sie über die Erkenntnisse aus ihren gruppendynamischen Bastelkursen oder Tanz-Workshops berichten. Frei heraus wird von der Menstruation im weißen Sommerkleid gesprochen, über das selbstgemixte Retortenbaby und über das Verhalten der Machos.

Zu allen Erfahrungen, Erkenntnissen und Weisheiten gibt es natürlich ein Lied. In einem Ritual wird ein Ton auf der Blockflöte vorgegeben und der Takt vorgezählt. Stimmlich hervorragend und wild gestikulierend tragen sie alte Volksweisen, französische Chansons bis hin zum Vereinigungslied „Wind Of Change“ a capella vor. Selbstredend unterwerfen sich die dargebotenen Texte einer der Wohngemeinschaft angepaßten Interpretation.

Freilich klingt alles in schwyzerdütschem Akzent nicht ganz so bitter und boshaft. Mal ehrlich, Proschtata hört sich doch eigentlich ganz niedlich an.

Remmer Koch