„Wer Religion braucht, soll in die Kirche gehen“

■ Vier Potsdamer Schülerinnen im Gespräch: Ist LER auch nichts anderes als verkappter Religionsunterricht oder lehrreiche Abwechslung? Und was hat das mit Kuchenbacken zu tun?

Die Gesamtschule in Potsdam- Babelsberg ist eine von 41 Schulen, in der der LER-Modellversuch läuft. Die taz sprach mit Ulrike und Patricia (14), die am LER-Unterricht der 8. Klasse teilnehmen, und mit Inka (19) und Katja (18) aus der 12. Klasse, die kein LER haben.

taz: In ganz Deutschland redet man inzwischen über LER.

Ulrike: Es gibt Politiker, die LER abschaffen wollen. Wahrscheinlich, weil ihnen das alles zu locker zugeht da, weil die Schüler da nichts Ordentliches lernen und statt dessen nur über sich und ihre Probleme quatschen können.

Inka: Ich denke, daß es damit zu tun hat, daß auch in unseren Schulen Religion wieder eine größere Rolle spielen soll. Aber das können die in Bayern tun, oder überall da, wo die Leute in die Kirche gehen. Hier finde ich ein Fach wie LER völlig fehl am Platz.

Aber die Kirche lehnt doch LER gerade ab, weil sie Religion als ordentliches Lehrfach haben möchte.

Inka: LER beschäftigt sich doch auch mit Religion, damit will ich nichts zu tun haben, überhaupt nichts. Überall treten Leute aus der Kirche aus, und hier sucht man Nachwuchs

Katja: Ich bin ganz froh, daß wir kein LER haben. Kuchen backen und so ist nicht mein Ding.

Patricia: Also, wir haben uns bisher erst eine Stunde mit religiösen Dingen beschäftigt. Bräuche zu den Festtagen. Ansonsten reden wir über Drogen, über Freunde. Auch über Horoskope, was ich besonders spannend fand. LER, das ist viel toller als die anderen Stunden. Wir sitzen im Kreis, reichen uns einen Erzählstein zu, und jeder sagt was.

Ulrike: Politische Themen werden auch manchmal besprochen. Die Atomtests von Frankreich haben ganz schön Protest ausgelöst.

Inka: Für politische Fragen haben wir das Fach Politische Bildung. Ja, und dort haben wir dann auch mal über verschiedene Religionen gesprochen, Buddhismus, Islam – das war sogar ziemlich spannend.

Was wißt ihr über den christlichen Glauben?

Ulrike: Also, das ist was für Leute wie meine Oma.

Inka: Woran soll man hinsichtlich der Kirche denn glauben? Wohin man schaut, herrscht Armut, und die Kirche ist reich. Und dann erzählt sie den Leuten, ihr Schicksal sei von Gott gewollt, sie sollten sich damit abfinden.

Patricia: Ich habe mit der Kirche auch so meine Probleme, wenn ich da an den Geschichtsunterricht denke, die Kreuzzüge zum Beispiel.

Ulrike: Oder nehmen wir die ganzen Abtreibungsfragen. Warum will die Kirche den Frauen vorschreiben, daß sie ein Kind zur Welt bringen, das nicht gewollt ist. Das ist doch vorsintflutlich.

Könntet ihr euch nicht vorstellen, so etwas auch im Religionsunterricht zu diskutieren?

Inka: Nee, dazu ist die Kirche viel zu dogmatisch.

Gibt es Dinge, die euch an Religion interessieren?

Inka: Der Bau von Kirchen vielleicht. Ich habe mir auf Reisen schon manche Kirche angesehen. Das war einfach schön.

Denkt ihr, daß Schüler, die gläubig sind, benachteiligt werden, wenn Religion nicht obligatorisch unterrichtet wird?

Inka: Also, ich kenne an der Schule keinen, der dafür in Frage käme. Und sollte es doch jemanden geben, der sich stärker für Religion interessiert, der kann ja in die Kirche gehen.

Ulrike: In der Schule soll überall gespart werden, unsere Arbeitsmaterialien sind in einem echt schlechten Zustand, da auch noch Religionsunterricht zu bezahlen ist hier echte Geldverschwendung.

Inka: Reden nicht immer alle von Religionsfreiheit, die im Grundgesetz steht? Das heißt für mich auch, daß der, der irgendwie religiös ist, mit seinem Glauben andere nicht unter Druck setzen sollte. Interview: Kathi Seefeld