Im Dickicht der Stadtmöblierung

■ Ein Spaziergang zwischen Pollern mit Stadtplaner Gottfried Zantke

Poller, Verteilerkästen, Parkbänke, Wartehäuschen, Beleuchtung, Verkehrsschilder, Fahrradständer – der öffentliche Raum in der Innenstadt ist vollmöbliert. Manchmal in einer Dichte, daß man die Stadt vor lauter unschönem Mobiliar nicht mehr erkennt. In den nächsten Wochen soll in Bremen auch noch ein Fußgänger-Leitsystem installiert werden – zusätzliche Schilder in dreistelliger Zahl drohen. Ein Spaziergang mit Gottfried Zantke, Senatsrat im Bauressort, über Sinn und Unsinn von Stadtmöblierung.

„Lieber hätte ich ein Heer von Aufpassern als die Poller“, sagt Gottfried Zantke mit Blick auf die Poller-Parade, die in dichter Folge die Knochenhauerstraße säumt. Das schlichte Bremer Modell – schlanker Zylinder mit aufgesetzter Kugel – reichte hier nicht aus, um das „wilde“ Parken zu unterbinden. Da mußte schon die massive Ausgabe aus Granit her. Und da fängt der Ärger schon an. Die Einzelhändler in der Straße hatten die Poller auf ihre Art verschönt. Eiserne, ringförmige und weit ausragende Blumenkästen hatten sie den konisch zulaufenden Pollern aufgesetzt – und damit deren Charakter auf ungute Weise verfälscht. Deshalb werden bald die behördlich genehmen Blumenhalter installiert. Jeder Poller bekommt dann einen filigranen Blumenschmuck, die anderen, mißliebigen, werden entfernt.

So soll es auch mit den vorhandenen Orientierungsschildern geschehen, nachdem das Fußgänger-Leitsystem in Bremen Einzug gehalten hat. An Touristen wie Einheimische soll sich das in blau-grün gehaltene Schilder-System, kreiert vom Basler Designbüro Balmer, richten. Erste Ausbaustufe: Orte und Plätze vom Hauptbahnhof zur Altstadt.

Bis dahin ärgert sich Gottfried Zantke noch über das flaggenartig auskragende Werbeschild von „United Colors of Benetton“ in der Obernstraße. „Wegen dem Schild sieht man von der Obernstraße die eine Spitze des Domes nicht mehr.“ Gemeinhin greift Zantke nicht bei jedem Angriff auf den öffentlichen Raum („Der gehört uns!“) ein, im Fall Benetton ist ihm aber der Kragen geplatzt. Eine Abbauverfügung ist ergangen, bei Widerspruch wird wohl das Verwaltungsgericht bemüht werden.

Ein weiteres Ärgernis: die epidemisch den öffentlichen Raum ockupierenden Verteiler- und Trafokästen. Statt daß die klobigen Kästen sich an einer Hauswand ducken oder gar im Haus, stehen sie – Beispiel BSAG-Haltestelle Schüsselkorb – mitten im Raum. Zufrieden ist Zantke dagegen mit den von JC Decaux gestifteten Buswartehäuschen. Decaux stellt, wartet und reinigt die Häuschen, die Firma kommt durch die integrierten Werbeflächen auf ihre Kosten: public private partnership in Bestform. Bloß: Irgendwann ist für die gewerblichen Stadtmöblierer, die mit Toiletten, Uhren und Buswartehäuschen nach Katalog ganz Europa immer ähnlicher machen, die Sättigungsgrenze erreicht. Kommt die Linie 4, wird sich das für die Stadt rentable Geschäft für die französische Firma womöglich nicht mehr lohnen, fürchtet Zantke.

Der Gang über den Domshof erfüllt den Stadtplaner eher mit Freude. „Vor sechs Jahren war der Platz noch von zwei großen Belüftungssockeln des Atombunkers verunziert“. Jetzt ist einer davon ebenerdig, der andere ragt nur noch geringfügig aus dem Pflaster. „Das Bundesamt für Zivilschutz hatte damals gesagt, da läßt sich gar nichts machen.“ Mehr als vier Jahre dauerte es, bis doch ein Kompromiß gefunden wurde. Sollte man den niedrigeren Sockel künstlerisch aufwerten? Oder würde das nicht die Aufmerksamkeit zu sehr auf das häßliche Objekt lenken? Der Sockel blieb, wie er war.

Domsheide: Häßliche Mülleimer flankieren den Eingang zum „etwas anderen Restaurant“. Visuelle Umweltverschmutzung, damit Mc Donald's ein ruhiges Abfallgewissen hat. Muß das sein? „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Zantke. Bei Firmen, wo das Geschäft gut läuft, müsse man sich behördlicherseits bedeckt halten, sonst drohten sie gleich mit Abwanderung.

Beispiel Schilderwald: So großflächig wie flächendeckend werden Fußgängerzonen nebst Fahrge- bzw. -verboten angekündigt; Orientierungsschilder weisen den Weg zu einer Unzahl von Zielen, und dann gibt es noch „70-100“ Firmen, die städtische Masten zum Zweck der Ausschilderung okkupieren. Zum Beispiel „Möbel Flamme“ am Osterdeich. „Das treibt meinen Adrenalinspiegel in die Höhe“, bekennt Klaus Hinte, Abteilungsleiter im Stadtamt. „Niemand außer uns darf eigenständig Schilder im öffentlichen Raum anbringen“. Die Schilder seien schwarz angebracht, illegal. Bloß weil das Amt personell nicht in der Lage sei, juristisch gegen die vielen Firmen vorzugehen, müsse man sie hinnehmen. Auch gegen die – vielfach redundante – Flut an Straßenverkehrszeichen fühlt sich Hinte machtlos. „Als ich anfing, wollte ich, daß für jedes neu aufgestellte Schild eines entfernt wird.“ Heute ist Hinte „resigniert“, daß er nicht mit „eisernem Besen“ die Schilderwut aufkehren kann. Seine Botschaft, daß der Mensch nur eine begrenzte Anzahl von Informationen aufnehmen könne, stößt auf taube Ohren. Vor allem Eltern von schulpflichtigen Kindern und Richter seien „belehrungsresistent“. Die werden sich freuen, wenn erst mal das Fußgänger-Leitsystem dafür sorgt, daß sich keiner mehr verirrt im Moloch Bremen. Alexander Musik