Durchs Dröhnland
: Playboy im 3/4-Takt

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der Woche

Als Orchestra Obscur 1990 entstanden, erinnerten ihre hörspielartigen Versuche mitunter an „Peter und der Wolf“. Der Nukleus, ein Schauspieler und ein Musiker, lud sich Freunde ein, und der Klangkörper schuf Großmächtiges im Lindentunnel. Einige Jahre tat sich dann gar nichts mehr, und Schlagwerker Rudolf Moser hatte sich inzwischen bei Die Haut verdingt. Man war zwar schwer avantgardistisch, aber zumindest musikalisch schon damals nicht sonderlich prätentiös. Inzwischen gibt es sogar Momente, in denen Rockmusik durchschimmert. Aber immer noch ist die Musik in erster Linie Beschallung für Bilder, die sich jeder ausdenken mag, ein Auf- und Abschwellen ohne eigentliche Struktur. Dabei gnädigerweise nicht so kopflastig und anstrengend wie manche andere Avantgarde.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte

Ganz dem Zeitgeist verpflichtet nannten Billy Moffett's Playboy Club ihre Musik zuletzt Pulp-Folk. Da paßt zwar irgendwie und sowieso zu den zwar kleinen, aber dafür um so blutrünstigeren Miniaturen des Oldenburger Duos, das Low-Fi und Homerecording schon betrieben hat, als das Zeug noch nicht mal erfunden war. Die allerliebsten Geschichten in brüchigem Englisch kokettieren mit dem kaputten Mannsein und hassen alles, was sich auch nur ansatzweise politisch korrekt gibt. Sexisten, Ex-Knackies, Anti-Veganer und Tierquäler schinden die zersoffenen Stimmbänder, und wenn der Club den von ihm favorisierten 3/4-Takt spielt, liegt Oldenburg plötzlich ganz nah an Wien.

Heute, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Mit Ne Zhdali hat Ilja Komarov noch gerne an Zappa in seiner umwölktesten Phase gemahnt, wie es sich für einen Burschen geziemte, der frisch von der Kunstakademie kam. Der Este hat sich nun mit der Schweizerin Trixa Arnold zum Duo Les Halmas zusammengetan, die des öfteren einen nur unwesentlich konsumierfreundlicheren Ansatz bevorzugen. Dabei ist vor allem verwunderlich, was für einen obskuren Lärm man mit Instrumenten wie Melodika und Akkordeon veranstalten kann. Wunderschön allerdings, wenn sich die beiden in die Abgründe des Folkloristischen, ja gar Chansonhaften hinabbequemen.

Heute, 22 Uhr, Lychener Straße 60, Prenzlauer Berg

Nebenan rauscht die Waschmaschine und deren gemütliches Rumpeln im Schleudergang vermengt sich aufs angenehmste mit dem bedächtigen Blues von Tav Falco. Es scheint fast so, als träfen die Breaks seiner Band Panther Burns die kurzen Pausen, wenn die Waschtrommel die Richtung wechselt. Ich weiß noch nicht, ob die Wäsche sauber wird, aber sicher ist schon mal, daß Falcos letzte Platte namens „Shadow Dancer“ wundervoll geworden ist. Im ersten Moment klingt sie zwar etwas zurückgenommen, bevor man bemerkt, daß der Mann aus Memphis in seiner archäologischen Wut inzwischen in der Stummfilmära angekommen ist. Man sieht ihn förmlich die Hüften wiegen und sich verflucht schleimig über die Bühne schieben. Wäre Max Raabe im Mississippi-Delta geboren, wäre diese Platte vielleicht nicht nötig gewesen. So ist sie die Easy-Listening-Ausgabe amerikanischer Volksmusiken, was kein bißchen abschreckend gemeint ist und vielleicht einfach daran liegt, daß Falco inzwischen Wien sein Zuhause nennt.

Heute, 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108, Neukölln

Ein nicht gerade seltenes Phänomen in der Gruft-Szene ist die Suche nach dem großen Zusammenhang, der die Musik zusammenhalten möge. Auch Goethes Erben haben sich wohl allzu lange mit der Mystik aufgehalten, weshalb jetzt gleich ein Musiktheaterstück folgen muß. Das heißt „Schach ist nicht das Leben“ und beschreibt „die Geschichte eines Menschen auf der Suche nach Farben“. Bis er sie gefunden hat, sind allerlei weihevolle Gesänge, freundliches Gebummere, liebliches Geklingel und auch ein paar Grunzlaute zu hören.

Heute, 20.30 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

In Nürnberg trägt man doch anscheinend tatsächlich noch Koteletten unter Pilzkopffrisuren und macht auch die entsprechende Musik. Nach Throw That Beat! huldigen jetzt Tristan and the Rosewood den 60ies, lassen ihre Gitarren jängeln und die Melodien fliegen.

So., 31. 3, 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg

Auch in Sachsen ist man noch in der Lage fröhliche Revolutionslyrik zu schreiben, wenn auch auf Englisch, und diese mit ein paar bratzenden Gitarren zu unterlegen, die sich mal am Metal, mal am Punk anlehnen. „People say: what a crazy guy when they talk about me“, dichten The Manic S.O.X. (über sich selbst?) und ein ein paar Verrücktheiten wären schön gewesen. So werden nur die üblichen Elemente aufgezählt und ein bißchen zum Funk rübergecrossovert.

Do., 4. 4., 21 Uhr, Caos Club, Grünauer Straße 9, Schöneweide

Nun gut, auch die Schwaben haben ein Recht auf Chaos, vielleicht steht es ihnen sogar besonders gut zu Gesicht. Dadart holen sich die fetten Bläsersätze aus den 70ern und lassen sie mit Free-Jazz ins Absurde kippen, spielen ein monotones Thema, das sich unvermittelt im kakophonischen Nichts auflöst, beginnen mit Humpta vom Rummelplatz und enden in New- Age-Geklimper. Wenn's nicht so lustig wäre, könnte es leicht anstrengend werden.

Do., 4. 4., 24 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg, Fr., 5. 4., 22 Uhr, „Buchhandlung“, Tucholskystraße 32, Sa., 6. 4., 22 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169 Thomas Winkler