Das Haus bricht zusammen, wenn man es nicht halten kann

■ betr.: Berichterstattung zum Haus halt in der taz

Betrachtet man die für den Bereich Hochschulen genannten Maßnahmen im „Gesetz zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts des Haushalts“, so fällt auf, daß viele von ihnen bereits früher einmal auf der Einspartagesordnung standen: Die Abschaffung der Hochschulautonomie und Studiengebühren waren bereits 1993 im gleichlautenden Gesetz genannt. Dieses wurde wegen des großen studentischen Protestes nicht verabschiedet.

Die Studiengänge Architektur an der HdK und Lehrerbildung an der TU waren vom damaligen Wissenschaftssenator Erhardt 1995 innerhalb der pauschalen Minderausgaben genannt worden. Aber durch den Protest und die sinnvolle Argumentation der bedrohten Studiengänge konnten Alternativvorschläge durchgesetzt werden.

Also zeigte sich zunächst, daß mit Engagement, Argumentation und Kompromißbereitschaft sich auch in finsteren Sparzeiten sinnvollere Lösungen finden ließen.

Aber gerade, daß bereits 1996 die gleichen Studiengänge wieder zur Disposition stehen und diesmal sogar unter Mißachtung der Hochschulautonomie per Gesetz abgeschafft werden sollen, zeigt die mangelnde Kommunikationsbereitschaft in der „großen Politik“. Diese Politik ist in ihren Entscheidungen und Aussagen beliebig, wie die neuerdings auf 85.000 festgelegte Zahl der Studienplätze in Berlin zeigt. Denn 1993 wurden die von 115.000 auf 100.000 reduzierten Studienplätze bis ins Jahr 2003 den Hochschulen mit dem Schlagwort „Planungssicherheit“ abgerungen. Diese Planungssicherheit hielt nicht einmal drei Jahre. Für uns bedeutet Beliebigkeit in der Aussage den Abbruch von echter Kommunikation. Jede Anhörung vor dem Wissenschaftsausschuß gerät damit zur Farce.

In diesem Sinne wäre die komplette Abschaffung der Hochschulautonomie und Einsetzung von staatlicher Konkursverwaltung durchaus logisch. Damit müßten die Universitäten ihren Erziehungsauftrag abgeben und ihn in die Hand der verantwortlichen politischen Handlungsträger legen.

Wie im folgenden skizziert wird, greift die Entscheidung zur Reduktion von Studienplätzen und „Immatrikulationsgebühr“ nicht nur in der Hochschulwelt. Denn mehr Abiturienten werden in andere Ausbildungszweige ausweichen, obwohl die Berufschancen für Akademiker im Vergleich immer noch am besten sind.

Bei weniger Lehrstellen („Mehr Schulabgänger, weniger Lehrstellen“, Berliner Zeitung v. 12.3.) wird die Konkurrenz in den sonstigen Ausbildungsbereichen eine größere Jugendarbeitslosigkeit bedingen. Unter anderem dieses Fehlen von Berufsperspektiven bedingt bereits jetzt größere Gewaltbereitschaft („Jugendliche Gewalttäter werden immer brutaler“, Tagesspiegel v. 8.3.). Wie an den Ausschreitungen in Potsdam zu bemerken ist, („Sturm auf den Landtag“, „Schüler randalierten bei Demonstration vor dem Landtag“, Tagesspiegel v. 8.3.) reagieren jugendliche Teenager auch erstmals mit kollektiver Gewalt angesichts der Kommunikationsverweigerung der Politik und des Fehlens von echten Perspektiven.

Wir empfehlen folgende kommunikationsfördernde Maßnahmen: Erhaltung der Hochschulautonomie; keine Studiengebühren; keine Streichung „bereits geretteter“ Studiengänge; Festschreibung von mindestens 100.000 Studienplätzen in Berlin bis 2003. Neben der ökonomischen sollte die ehrliche Diskussion über Inhalte wieder geführt werden, denn nur Feuerlöschen ist in den 90er Jahren zu wenig. Wir appellieren an die Berliner Politik, den Brand gar nicht erst zu legen. Gruppe der Studierenden im

Akademischen Senat der HdK,

Nine Faber, Andreas Holzmann,

Jo Panne

Es könne wie eine logische Kette von öffentlichen Äußerungen verantwortlicher (oder, besser, unverantwortlicher) Menschen anmuten, die nun in der jüngsten Äußerung der Justizsenatorin Peschel-Gutzeit gipfelt: Es gehe nicht an, wenn jugendliche Serientäter immer weiter ihr Unwesen treiben, geschützt vom Jugendstrafrecht. Mit der Staatsanwaltschaft will sie darüber reden! Mit der Jugendsenatorin will sie darüber aber nicht reden. Sollte sie aber!

Ist doch abzusehen, daß die Kürzungen im Landeshaushalt und der damit verbundene Wegfall von Hunderten von Jugendprojekten und Stellen für Jugend- und Straßensozialarbeit die Situation keinesfalls entspannen wird. Insofern ist es natürlich keine ersatzlose Streichung, denn Frau Gutzeit fordert ja nun gerade den Ersatz: eine neue Haftanstalt und Regelungen, die diese auch schnell auslasten (siehe oben). Seriöse Wissenschaftler, Meinungsumfragen und wir wissen, das ist eine Sackgasse! Wieviel Prozent der Eingesessenen werden denn resozialisiert? Zumal die Jüngeren unter ihnen ja in der Haftanstalt in aller Regel erst einmal das Handbuch eines Kriminellen zu lesen bekommen, ehe sie auch nur über Ausbildung und Berufsabschluß nachdenken können.

Gerade die Bewährungshelfer, also die ambulanten Dienste, wissen zu berichten, daß sie viel zuwenig Spielraum haben, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, jugendlichen Straftätern sinnvolle Alternativen zu ihrem sinnlosen Tun zu bieten (sinnlos natürlich aus unserer Sicht!). Frau Peschel-Gutzeit hat dies erkannt. Anstatt nun aber die ambulanten Möglichkeiten mit der Initiative freier und öffentlicher Träger in der Jugend- und vor allem der Straßensozialarbeit zu verbinden (im übrigen ein bewährter Weg), wird mit dem Staatsanwalt verhandelt! [...]

Wir (Sozialarbeiter des Kinderring Berlin, Talentbude) wissen mittlerweile, wovon wir reden, und sagen es auch anderen: Wir wollen aufsuchen und begleiten, Raum und Ohr bieten für Leute, die in dieser Gesellschaft keine verbindlichen Werte mehr sehen, geschweige denn sich an sie halten wollen. [...] Wer aber nur noch in Haushaltskategorien denken kann und soziale Leistungen zu Produktekatalogen zusammenfassen will, wer mehr Haftanstalten und strafrechtliche Konsequenz anstatt Jugendprojekte und Straßensozialarbeit fordert, hat sein gesellschaftliches Verfallsdatum schon überschritten! Detlef Grabsch, Talentbude des

Kinderring

Nicht nur drei Opernhäuser machen eine Hauptstadt attraktiv...

Auch der soziale Frieden ist eine wichtige Hauptstadtkomponente. Doch der Senat scheint dies bei seiner Sparpolitik nicht zu erkennen oder aber nicht erkennen zu wollen. Familien mit Kindern, vor allem angewiesen auf die soziale öffentliche Infrastruktur, sehen die kläglichen Erhöhungen des Kindergeldes aufgefressen und weitergehende finanzielle Belastungen auf sich zukommen.

Die Lernmittelfreiheit an den Schulen wird faktisch abgeschafft. Nur noch verschwindend wenig Bücher in den öffentlichen Bibliotheken können angeschafft werden. Ferienmaßnahmen für Kinder und Familien werden drastisch gestrichen. Als „Ausgleichsmaßnahme“ werden die Eintrittspreise für die öffentlichen Schwimmbäder erheblich erhöht oder aber die Badeanstalten gleich ganz geschlossen. Für Kitaplätze sind statt bisher zehn Monatsbeiträge künftig zwölf Monatsbeiträge zu zahlen. Im Gegenzug wird das Spiel- und Beschäftigungsmaterial auf eine lächerliche Summe zusammengekürzt (15 Mark pro Jahr und Kind?). Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.

Der Senat hat immer wieder betont, daß alle Bevölkerungsgruppen angesichts der miserablen Haushaltssituation sparen müssen. Dies ist der richtige Ansatz, doch nun werden Menschen mit Kindern direkt und indirekt wieder wesentlich stärker belastet. Nicht einmal Bezirke mit sozialen Brennpunkten werden bei dieser Sparpolitik differenziert behandelt! Kennen die politischen Entscheidungsträger die Realität der Lebensverhältnisse der meisten Menschen dieser Stadt? Christa Böhme, Gisela Rhein-

Polat, Bezirkselternausschuß

Kitas Tiergarten