Parade am 1. Mai 1986 in Sofia: Wie der Info-Kanal offenbar stockte

Kiro Kirow, zur Zeit des Super-GAUs Sekretär der Regierungskommission für Naturkatastrophen und heute Rentner, hat der taz einige der Schritte beschrieben, die die damalige bulgarische Regierung zum Schutz der Menschen unternahm.

Stichwort 1. Mai: In Sofia jubelten Arbeiter und Bauern im strömenden Regen der Staats- und Parteiführung um Theodor Schiwkow zu. Seit dem Vortag zogen radioaktive Wolken über das Land. Kirow verteidigte die Untätigkeit der Regierung: „Das ganze Politbüro stand auf der Tribüne, obwohl es geregnet hat. Hätte es eine Strahlung gegeben, dann hätten sie nicht dort gestanden.“

Lebensmittel: Verstrahlte Lebensmittel wurden erst spät aus dem Verkehr gezogen: „Neben dem Verbot, Blattgemüse zu essen und Schafsmilch zu verbrauchen, hat die Kommission im Februar 1987 (10 Monate nach der Katastrophe, d. Red) angeordnet, daß in die südöstlichen Bezirke Bulgariens, wo die Verschmutzung am schlimmsten war, 40.000 Tonnen Weizenmehl geliefert werden sollten. Man hat den guten Weizen mit dem verschmutzten vermischt, damit man beim Brot unter die Norm für die radioaktiven Werte gelangen konnte. Dasselbe geschah auch mit Fleisch. Zeitweise war auch der Verkauf von Apfelsaft und Schafskäse aus einer bestimmten Produktionsperiode verboten.“

Schutz von Kindern und Jugendlichen: In den Tagen der höchsten Strahlung passierte praktisch nichts. Kirow sagt, die Regierung habe später angeordnet, „daß im Sommer die Ernteeinsätze für Studenten ausfallen sollten, daß Veranstaltungen unter freiem Himmel für Schüler nicht stattfinden sollten. 1987 wurde auch das prophylaktische Pflichtröntgen eingestellt, damit die Bevölkerung nicht zuviel Strahlung bekam.“ kv