„Eine Kirschtasche, bitte!“ Von Klaudia Brunst

„Eine Kirschtasche, bitte!“ brachte ich mühsam hervor, als ich mich endlich mit meinen vielen maxigroßen-riemenverstärkten Familieneinkaufstüten und der sperrigen Klopapierpackung bis zu meiner Backwarenverkäuferin durchgeschoben hatte.

Alles in allem war es bis hierhin ein sehr anstrengender, sehr trostloser Morgen gewesen. Es hatte damit begonnen, daß die Betthälfte neben mir immer noch leer war. Meine Freundin war für ein paar Tage zu ihrer Mutter gefahren und hatte nicht nur den Wagen, sondern auch den Hund mitgenommen. Das war für den Kater und mich eine völlig neue Situation, an die wir uns – wie sich sehr schnell herausstellte – nur schwer gewöhnen konnten. Es fiel mir auf, nachdem ich die Zeitung aus dem Briefkasten gezogen hatte und dann, ohne weiter darüber nachzudenken, die gewohnte Gassirunde um den Block gedreht hatte, bis mir die vier Vollkornbrötchen in meiner Hand auffielen, für die es letztlich gar keinen vernünftigen Grund gab. Denn schließlich hatte ich doch schon vor Tagen heimlich eine Packung Toastbrot zwischen den Geschirrhandtüchern versteckt. Meine Freundin muß ja nicht alles wissen. Vor allem nicht, daß ich eigentlich viel lieber Weißbrot esse.

Aber auch der Kater litt fühlbar. Weil der Hund ihm nun nicht das Futter vor der Nase wegfressen konnte, und ich deshalb morgens und abends nicht ein zweites Mal seinen Napf zu füllen hatte, mußte der Arme nun drei Mahlzeiten hintereinander mit dem immer gleichen Wildragout vorliebnehmen, bis die Supersparfamiliendose endlich leer war.

Überhaupt die Familienpackungen. Die Welt – so hatte ich im späteren Verlauf dieses Samstag morgen feststellen müssen – hatte sich in den letzten sieben Jahren meiner Ehe in einen Berg voller Familienpackungen verwandelt! Die „Feinen Erbsen und Möhrchen“ von Bonduelle führte der Konsum an der Ecke nur noch in der 425-Gramm-Spardose, sechzehn Iglu-Fischstäbchen waren seit neustem billiger (!) als acht, und selbst der „Ehrmann Vanilletraum Pfirsch-Maracuja“, den mir meine Freundin nie kauft, protzte nun mit 25 Prozent mehr Inhalt. Von entsetzlichen Verlassenheitsängsten und bislang nicht gekannten Kaufentscheidungsschwierigkeiten übermannt, hatte ich schließlich vorsätzlich zu einer Vorratspackung dreilagigem Klopapier mit 37 Rollen zum Preis von 36 gegriffen, um so das Haushaltsgeld einzusparen, das mich die Sheba-Häppchen „Krabbencocktail“ kosten würden.

Auf dem Weg nach Hause hatte ich dann aber doch mit meinem Schicksal Frieden geschlossen. Immerhin würde ich an diesem Samstag nicht mit dem Hund in den Grunewald gehen müssen, sondern könnte mir in der Videokthek zum Superspartarif drei Knüllerfilme zum Preis von zweien ausleihen und diesem einsamen Tag so mit einer Maxikanne nichtentkoffeiniertem Kaffee und einer leckeren Kirschtasche vorzeitig ein süßes Ende bereiten.

„Kirschtaschen gibt es heute aber nur im Doppelpack! riß mich die Verkäuferin aus meinen Gedanken, und machte mich auf das Hinweisschild an der Einkaufstür aufmerksam: „Super-Wochenendangebot“, stand da, „Zwei Kirschtaschen – jetzt nur sensationelle neunundneuzig Pfennig“.