Fremdling im BVB-Bayern-Verbund

■ Oliver Bierhoff, letzter deutscher Italienlegionär, gewann beim 2:0 gegen Dänemark das Herz des Bundestrainers

München (taz) – Den wechselseitigen Elogen der beiden Trainer zufolge standen sich im Münchner Olympiastadion vor nur 26.000 bibbernden Zuschauern zwei absolute Super-Mannschaften gegenüber. „Wir haben immerhin gegen die Nummer drei in der Welt gespielt“, schwärmte Dänemarks Coach Richard Möller-Nielsen nach dem schmeichelhaften 0:2 gegen das deutsche Team. Der ewig nachtragende Berti Vogts, dem der Stachel des verlorenen EM-Finales von Göteborg gegen die Fast food vertilgenden Urlauber aus dem nördlichen Nachbarland immer noch tief in der Seele sitzt, konterte sarkastisch-höflich: „Wenn wir die Nummer drei in der Welt sind, haben wir gegen die Nummer eins in Europa gespielt.“

Beste Voraussetzungen also für eine berauschende Darbietung. Sampras gegen Becker mit fußballerischen Mitteln sozusagen. Doch: Pustekuchen! Was die beiden Teams bei Minusgraden zustande brachten, ähnelte eher einem Muster-Bruguera-Match der öderen Art. Solide, aber zumeist ohne besondere Finesse wurde der Ball hin und her befördert, wobei vor allem die Dänen größten Wert auf massive Defensive legten und kaum etwas von jener Dynamik und Kombinationsgabe zeigten, die sie 1992 zu Europameistern werden ließ. Zwar machte Brian Laudrup mit sämtlichen deutschen Abwehrspielern, was er wollte, aber er wollte nur sehr sporadisch etwas. Und sein noch berühmterer Bruder Michael war vollauf damit beschäftigt, sich von Jürgen Kohler fernzuhalten.

Bertis Borussen-Bayern-Verbund mit seinen drei Fremdkörpern Dieter Eilts, Thomas Häßler und Oliver Bierhoff bemühte sich um konstruktiven Spielaufbau, blieb aber meist in der massiven Abwehrkette der Dänen hängen. Diese übersahen allerdings, daß man nicht nur auf Stürmer und Mittelfeldspieler achten muß, sondern hin und wieder auch auf vorwitzige Verteidiger. Christian Ziege nützte die Löcher auf der linken Abwehrseite des Gegners weidlich aus, absolvierte eines seiner besten Länderspiele und sorgte mit seinen Dribblings und Flanken für stete Gefahr. Nutznießer war Fast-Neuling Oliver Bierhoff, der in der 44. Minute eine Ziege-Flanke auf seine unspektakuläre Art ins Tor beförderte, nachdem Klinsmann den Ball verpaßt hatte, was beide später als besonders raffinierte Tat zu tarnen suchten.

Wesentlich spektakulärer geriet Bierhoffs zweiter Treffer. Dicht vor Torwart Peter Schmeichel stehend, verlängerte er minimal einen Häßler-Freistoß, und der verwirrte Keeper boxte sich den Ball selbst durch die Beine – eine Aktion, die ihm bei Manchester United vermutlich einen sofortigen Karatetritt von Eric Cantona eingebracht hätte. Schmeichel war der Depp, Oliver Bierhoff hingegen konnte sich nicht nur über seinen zweiten Treffer im zweiten Länderspiel („Bei so einer Bilanz sollte man eigentlich aufhören“) freuen, sondern auch darüber, daß er nun beste Chancen auf den zweiten Stürmerplatz bei der EM hat.

Seine ganze Karriere sei ihm beim Abspielen der Nationalhymne durch den Kopf gegangen, sagte der eloquent parlierende Italienprofi, ein Rückblick, bei dem er sich ziemlich beeilt haben muß, denn der Stationen waren viele in Bierhoffs Leben: Uerdingen, Hamburg, Gladbach, Salzburg, von Inter Mailand weitergereicht an Ascoli, schließlich Udine. Nun, findet er, sei es an der Zeit, auch mal bei einem großen Verein um Meisterschaft und Europacup zu streiten. Als Interessenten nannte er nonchalant Parma und Juventus, begnügen würde er sich zur Not aber auch mit Dortmund oder Bayern.

Der Schlüssel zu einer großen Zukunft, das weiß Oliver Bierhoff genau, ist eine erfolgreiche Europameisterschaft, und so tut er alles, um den Bundestrainer zu erfreuen. Auf dem Platz rackert er verbissen, in der Mannschaft hat er mit seiner besonnenen Souveränität bereits gewissen Einfluß und in der Öffentlichkeit spricht er brav und fehlerfrei die Beschwörungsformeln, die ein rechter Vogtsianer sprechen muß: „Es bringt Riesenspaß, in dieser Mannschaft zu spielen. Jeder ist für den anderen da.“ Und fügt vorsichtshalber hinzu: „Das ist wirklich keine Floskel, auch wenn es so klingt.“

Die EM wird erweisen, wie weit es mit der Harmonie im deutschen Team der „vielen Fast-Weltklassespieler“ (Möller-Nielsen) tatsächlich her ist, wenig Spaß in England werden vermutlich die Dänen haben, von deren alter Herrlichkeit kaum noch etwas geblieben ist. Aber das dachte man vor der Europameisterschaft 1992 ja auch. Vielleicht hatten sie in München einfach nur zu wenige Hamburger gegessen. Matti Lieske

Dänemark: Schmeichel - Högh - Rieper, Thomsen - Helveg, Risager, Schjönberg - Rasmussen (46. Allan Nielsen), Michael Laudrup (79. Brian Steen Nielsen), Brian Laudrup - Beck (73. Andersen)

Zuschauer: 26.000

Tore: 1:0 Bierhoff (44.), 2:0 Bierhoff (61.)

Deutschland: Kahn (18. Köpke) - Helmer - Kohler - Reuter (46. Babbel), Eilts, Freund (85. Albertz), Ziege - Scholl (76. Basler), Häßler - Klinsmann, Bierhoff