■ Standbild: Über den Wolken
„Angst im Flugpreis inbegriffen“, Mi., 21.45 Uhr, ARD
Die Tragflächenwurzel ziert eine beachtliche Delle. Und das Reifenprofil, glatt wie eine Kinderwange, verdient seinen Namen nicht. Die Flecken auf dem Boden riechen verdächtig nach Öl. Kein Zweifel, bei dieser Maschine ist ein mittelschwerer Hydraulikschaden im Anflug.
Nicht nur auf dem berüchtigten Flughafen der Domenikanischen Republik, auch auf deutschen Rollbahnen herrscht Sodom und Gomorra. Sieben Techniker sind auf dem Frankfurter Airport für den Sichereitscheck von über hundert Airbus zuständig. Die übrigen Beamten der Luftaufsichtsbehörde können vielleicht gerade mal den Filter in ihrer Kaffeemaschine wechseln.
Ein Fall für die ARD-Reportage „Angst im Flugpreis inbegriffen“. Bienenfleißig hat ein fußballmannschaftsgroßes Autorenteam noch einmal den Fall der Birgenair vom Himmel der Domenikanischen Republik rekonstruiert. Doch spannend wird es erst, als sich die Reporter um neue Schludereien kümmern und sich dabei am Frankfurter Flughafen mit missionarischem Eifer gegen alle Rechercheschikanen stemmen.
Ein Sicherheitsbeamter mit ausländischem Akzent, der schüchtern nach der Drehgenehmigung fragt, wird angeherrscht: „Deutschland ist ein demokratisches Land. Hier gibt es Pressefreiheit.“
Gedreht werden durfte zumeist nur von der gläsernen Besucherterrasse aus. Während der Zoom marode Türaufhängungen und ausgeleierte Gummiabdichtungen heranholt, geizt die Off-Stimme nicht mit gehobenem Luftfahrttechnikvokabular. Und bald scheint es, als schaue die Kamera nicht auf ruhig hinter dem Aussichtsglas herumrollende Flugzeuge, sondern in ein Aquarium mit einer Gruppe riesiger Blechhaie, die uns hin und wieder mit ihren starren Cockpitfensteraugen fixieren.
Bis hierhin teilt die Dokumentation unsere ungeteilte Empörung. Doch mit ihrem Video von der Reise in einer Billigchartermaschine paart sich der Aufklärungswillen mit unverhohlener Lust am Grauen. Da kommt jedes Kabel als potentieller Brandherd in Verruf und die unvorteilhaft belichteten Aufnahmen von der Crew verdächtigen deren Ausgelassenheit schnell der Debilität. Und für eine eventuelle Evakuierung oder Notlandung sieht der Reporter jetzt schon schwarz. Fehlt nur noch, daß der Pilot kleine Jungs mit einem verheißungsvollen „Hast du schon mal 'nen nackten Mann gesehen?“ ins Cockpit lockt, und wir befänden uns mitten in der Hauruckkomödie „Die Reise in einem verrückten Flugzeug“. Birgit Glombitza
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