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Mit Knüppeln und Schilden

■ 10.000 bewaffnete Zulus demonstrieren in Johannesburg. Erinnerung an das Shell-Haus-Massaker

Johannesburg (taz) – Die Innenstadt von Johannesburg glich gestern einer Trutzburg. Seit zwei Uhr morgens waren mehr als 2.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz, wurden Straßen für den Verkehr gesperrt und mit Stacheldraht gesichert. In den frühen Morgenstunden hatte es in den Townships rund um Johannesburg noch Schießereien gegeben. Doch hatte sich die Lage schnell beruhigt.

Gegen neun Uhr versammelten sich rund 10.000 Zulus auf Geheiß ihrer Häuptlinge am Ostrand der Innenstadt und zogen dann durch die Straßen zur Kundgebung in den Bibliotheksgärten. Mit dem Marsch erinnerten die Zulus an das sogenannte Shell-Haus-Massaker vor zwei Jahren. Am 28. März 1994, vier Wochen vor den ersten freien Wahlen in Südafrika, hatten Tausende von schwer bewaffneten Zulus für den Erhalt ihrer Monarchie in KwaZulu/Natal demonstriert. Fast 60 Menschen waren an diesem Tag im Großraum Johannesburg durch politische Gewalt zwischen ANC- und Inkatha-Anhängern ums Leben gekommen. Vor dem ANC-Hauptquartier, dem Shell-Haus, waren damals acht Zulus erschossen worden. Südafrikas Präsident Nelson Mandela gab allerdings im vergangenen Jahr zu, für den Fall eines Sturms auf die Parteizentrale einen Schießbefehl erteilt zu haben. Für die Regierung ging es gestern vor allem darum, eine Wiederholung der Vorfälle zu verhindern. Doch trotz des aufgeheizten politischen Klimas blieb alles überraschend ruhig. Die meisten Zulus trugen gestern zwar Stöcke, Knüppel und Schilde mit sich herum, schwer bewaffnet mit Äxten und Speeren waren jedoch nur wenige. Damit hatten sich die Zulus entgegen vorherigen Ankündigungen weitgehend einem Verbot der Regierung unterworfen, um das es seit Tagen eine heftige Kontroverse gegeben hatte.

Die Vorfälle sind bis heute nicht aufgeklärt

Am vergangenen Freitag hatte Sicherheitsminister Sydney Mufamadi (ANC) in 74 Verwaltungsbezirken des Landes, darunter auch Johannesburg, das Tragen von gefährlichen Waffen in der Öffentlichkeit verboten. Vor allem die Inkatha-Freiheitspartei unter Innenminister Mangosuthu Buthelezi ließ daraufhin die Muskeln spielen. Mehrere führende Politiker, darunter auch Buthelezi, erklärten, ein Zulu-Krieger werde niemals ohne seine traditionellen Waffen zu einer Versammlung gehen. Präsident Mandela reagierte scharf und kündigte an, eine gewaltsame Eskalation des Marsches werde mit allen Mitteln verhindert werden. Es scheint, daß in letzter Minute hinter verschlossenen Türen ein Kompromiß ausgehandelt wurde: Die Polizei ließ leichte Waffen zu, die Zulus verzichteten auf allzu martialische Bewaffnung.

Im Gegensatz zu Johannesburg war die Lage in der Provinz KwaZulu/Natal höchst angespannt. In der Township Umlazi südlich der Hafenstadt Durban wurden morgens drei Menschen erschossen, mindestens vier schwer verletzt. Am Vorabend war dort ein ANC- Lokalpolitiker auf offener Straße erschossen worden. Gestern nachmittag versammelten sich dort ebenfalls 5.000 Zulus, um zur Erinnerung an das Shell-Haus-Massaker zu demonstrieren. Kordula Dörfler

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