Geheimdienst hat bei Rabin-Mord versagt

Regierungskommission wirft Israels Inlandsgeheimdienst Schabak schwere Versäumnisse vor und empfiehlt Entlassungen. Indizien für eine Verschwörung findet sie jedoch nicht  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der israelische Inlandsgeheimdienst Schabak trägt die Hauptverantwortung für den unzureichenden Schutz des ermordeten Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin. Zu diesem Ergebnis kommt die Regierungskommission zur Klärung der Umstände des Attentats vom 4. November vergangenen Jahres. Die Kommission stellte ihren Bericht gestern in Jerusalem vor. Einen Tag zuvor war Rabins Mörder Jigal Amir zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

„Falls jeder der beteiligten Sicherheitsdienste Verantwortung bewiesen hätte, wäre es vielleicht möglich gewesen, den Mord zu verhindern“, heißt es in dem Bericht. Der Schabak habe Warnungen vor einem drohenden Attentat nicht ernst genommen.

In dem Bericht werden mehrere Entlassungen und Disziplinarmaßnahmen auf höchster Ebene der israelischen Sicherheitsdienste empfohlen. Bekannt wurden gestern allerdings nur zwei Drittel des über 500 Seiten dicken Werkes. Das andere Drittel ist geheim.

Die Untersuchungskommission unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Meir Schamgar, hatte bereits vor einigen Wochen sieben führende Sicherheitsoffiziere gewarnt, daß sie voraussichtlich wegen Vergehen zur Verantwortung gezogen werden. Unter den Vorgewarnten war auch Karmi Gilon, der mittlerweile zurückgetretene und durch Admiral Ami Ajalon ersetzte Chef des Schabak.

Die Kommission bemängelt das Verhalten der Personenschutzagenten an dem Abend des Anschlags. Laut Untersuchungsbericht wurde der Mord wesentlich dadurch erleichtert, daß die Geheimdienste davon ausgingen, daß eine wirkliche Gefahr für Regierungsmitglieder und andere wichtige Persönlichkeiten nicht von jüdischer Seite ausgehe, sondern von Arabern. Ein jüdischer Attentäter war vom Geheimdienst so gut wie nicht erwartet worden. Entsprechende Sicherheitsmaßnahmen wurden vernachlässigt.

Ex-Schabak-Chef Gilon zeigte sich gestern eines Besseren belehrt: „Es gibt unter uns Juden, die wie Jigal Amir bereit sind, einen Ministerpräsidenten oder einen anderen führenden Politiker zu ermorden“, sagte er nach Veröffentlichung des Berichtes. „Sie sind unter uns, in der Armee, in der Universität, in der Schlange vor dem Kino, im Supermarkt.“

Nach Angaben der Geheimdienste wurden Korrekturen und interne Reorganisationen die angesichts des Rabin-Mordes notwendig schienen, bereits durchgeführt. Vier hohe Schabak-Sektionschefs wurden ihres Dienstes enthoben, unter ihnen der Kommandant der Abteilung für „nichtarabische (d.h. vornehmlich Juden betreffende) Angelegenheiten“. Ihm war ebenfalls ein Warnungsschreiben der Kommission zugestellt worden, weil er es unterlassen hatte, vorliegende Geheimberichte über Pläne für einen jüdischen Anschlag an die Polizei weiterzuleiten.

Für unmittelbar nach dem Rabin-Mord kursierende Gerüchte über ein Komplott, an dem angeblich auch Teile der Sicherheitsdienste beteiligt gewesen sein sollen, fand die Kommission keine verläßlichen Indizien.