Neue Strukturen für die Lust am Bild

■ Hamburgs Museen könnten eine grundlegende Reform - nach holländischem Vorbild - brauchen

Museen sind erfolgreich; allein die sieben staatlichen Häuser in Hamburg haben jährlich um die anderthalb Millionen Besucher. Diese Schau- und Bildungslust befriedigen die Museen mit traditionellen, zunehmend einengenden Strukturen, die auf dem langen Weg von der Wunderkammer zur Staatsrepräsentation ererbt wurden. Selbst kleinste Veränderungen müssen hier schwierige Instanzenwege gehen, Vereinbarungen mit Mitarbeitern können nicht direkt, sondern nur über einen Gesamt-Personalrat getroffen werden, kommerzielle Aktivitäten laufen teils erfolgreich, aber in einer juristischen Grauzone, und als nachgeordnete Dienststellen sind sie von der Finanz-Gnade einer sparwütigen Exekutive abhängig. Das alles ruft nach Reform. Und da tut es gut, wenn man das Rad nicht neu erfinden muß.

Die Hamburger Direktorenkonferenz empfiehlt in ihrer Vorlage von letzter Woche (die taz berichtete) eine grundlegende Umstrukturierung nach dem holländischen Modell. Dort wurden zwischen 1988 und 1995 alle 22 staatlichen Rijksmuseen mit sichtbarem Erfolg in die Rechtsform der Stiftung verselbständigt. Und das sind nicht nur Presseverlautbarungen: Im Januar hat sich eine repräsentativ zusammengesetzte Reisegruppe aus dem Hamburger Museumsbereich in fast ethnologischer Feldforschung an mehreren Museen kundig gemacht und die große Zustimmung von der Kassiererin zum Ministerialbeamten, vom einzelnen Wissenschaftler zum großen Publikum bestätigen können. Und Hamburg sollte Vertrauen in das benachbarte Handels- und Kulturvolk haben, aus dem manche Kaufmannsfamilien dieser Stadt abstammen. Was aber ist das holländische Modell – und wem nützt es? Die zweite Frage zuerst: Es nützt dem Bürger. Er erhält einen leistungsorientierten Umgang mit den Museumsarchiven, einen informativeren und in neuer Weise nutzbaren Zugang zu den Sammlungen und sauber erarbeitete, attraktive Ausstellungen. Das ist mehr als nur zufällige Teilhabe an historisch gewachsenen Apparaten mit aufgesetzten High-Lights, den modestromlinienmäßig herbeigeschafften Wanderausstellungen.

Ohnehin scheint zur Zeit die Grenze erreicht, an dem eine Institution ihren unabänderlichen Finanzbedarf einfordern kann, nur um dann andauernd pauschal weniger Geld zu bekommen. Im Fachkauderwelsch heißt es, die Museen sind Input- statt Output-orientiert. Ohne Strukturreform erreichen die für 1997 bewilligten Gelder die Grundkostengrenze, also jenen Betrag, die das Personal und die Liegenschaften schon dann kosten, wenn sie ganz für das Publikum geschlossen sind. Jede Diskussion über Sponsoren lenkt davon nur ab, die so erwirtschafteten Gelder sind zwar willkommen, aber ungeeignet, das Grundproblem zu lösen. Verrottende Archive und geschlossene Abteilungen sind also für den Steuerzahler nur unwesentlich billiger, als ein funktionierender Apparat. Es widerspricht jeder – auch kaufmännischer – Logik, in der reichsten Region Europas ein solches Potential ungenutzt zu lassen.

Wie aber soll ein funktionierendes Museum aussehen? Immer noch befindet sich die Institution in einem Geflecht zwischen wissenschaftlicher Funktion, bewahrender Sammlung, pädagogischem Anspruch und gehobener Unterhaltung. Empfehlungen der Wirtschaft, zuletzt von Handelskammerpräsident Dr.Asche, Kontroller und Marketing-Manager einzustellen, sind da nur vorschnelle Übertragungsversuche eines zur Zeit auch nicht gerade befriedigenden traditionellen Wirtschaftsmodells und also unnütze Medizin. Es geht vielmehr um eine Neubestimmung der Museumsfunktion für das nächste Jahrhundert.

Das erfordert Methoden, wie sie seit langem in humanen Wirtschaftsmodellen bekannt sind: flache Hierarchien, dezentrale Selbstverantwortung, Zielvereinbarung, Teamfähigkeit, Lernbereitschaft und Motivation. Zudem geht es um die Auflösung des ministeriellen Einflusses und des Beamtenstatus (bei Sicherung des aktuellen Status heutiger Mitarbeiter). Schließlich ist Museumsarbeit keine hoheitliche Aufgabe, auch wenn dies von Napoleon über Hitler zur Repräsentation der Landesfürsten und Stadtoberen heutiger Tage manchmal so scheint. Und für wissenschaftliche Grundlagenforschung bleibt ja die Universität.

Doch Rationalisierung ist all zu oft nur ein Wort für Stellenabbau. Auch die kürzliche Umwandlung der städtischen Museen in Berlin in eine Stiftung bei Beibehaltung einer zentralen Hierarchie nutzt diesen flauen Trick. Beim holländischen Modell hat sich hingegen gezeigt, daß nach der Verselbständigung etliche neue Berufsbilder und Arbeitsplätze entstanden – was zu einer Verdoppelung der Mitarbeiter führte, zeitlich begrenzte ABM-Stellen zur Sicherung der Archive noch nicht einmal mitgerechnet.

Doch eine wirtschaftliche Führung der neu einzurichtenden Stiftungen ist nicht möglich auf dem Stand von heute. Vor der Verselbständigung und deren Spareffekten stehen Anfangsinvestitionen. In den Niederlanden stehen für zehn Jahre insgesamt 400 Millionen Mark zur Verfügung, um alle Museen, die gewisse Kriterien erfüllen, in der Bau- und Sammlungssubstanz zu sanieren.

Es wird also nicht nach Geld gerufen, ohne neue, selbstkontrollierte, höhere Gegenleistung. Es geht aber auch nicht um ein bloßes Sparkonzept. Wichtig ist auch in Hamburg zuerst eine genaue Erfassung von Wesen und Zielvorgaben der Arbeit aller heutigen Abteilungen. Denn die bestehende Ordnung ist keineswegs zwangsläufig. Da wurde dem Helmsmuseum als Harburger Regionalmuseum die Funktion eines „Hamburger Museums für Archäologie“ übertragen, aber die attraktiven Ausgrabungsschätze der Griechen und Römer befinden sich im Museum für Kunst und Gewerbe, die Archäologie von Ägypten und Südamerika ist drittens im Museum für Völkerkunde. Oder warum eigentlich sind für Museumsschiffe in Hamburg drei Museen und mehrere Vereine verantwortlich? Außerdem sind teils der bauliche Zustand der Häuser und die Archivierung der Bestände sowie überall die Öffentlichkeitsarbeit stark verbesserungsbedürftig.

Nicht einmal 1,94 Prozent des Landeshaushalts sind Gelder für die Kultur. Und da soll immer noch weiter gespart werden, während Subventionen für Werften und unsägliche Aluminiumhütten in zig Millionen Höhe fließen. Die Museen wollen und brauchen nun eine eindeutige Klärung ihrer Position. Und was durch reformierte Strukturen, Engagement der Mitarbeiter und höhere Besucherattraktivität nicht verdient werden kann, ist dann ganz gewiß der angemessenen und verbindlichen Finanzierung durch die Bürger eines Kulturstaates würdig.

Hajo Schiff