: Freizeit statt Freiheitsentzug
■ Altonaer Totalverweigerer stellte sich den Feldjägern und durfte überraschenderweise gleich wieder nach Hause
Der erste Tag lief für René Clasen überraschend „glimpflich“ ab. Am späten Donnerstag nachmittag hatte sich der 20jährige Totalverweigerer aus Altona im Büro der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) den Feldjägern gestellt, die sich seit Anfang März an seine Fersen geheftet hatten. Der „Fahnenflüchtige“ wurde noch in der Nacht zur Luftwaffenausbildungsbrigade in Heide gekarrt, wo er nun zehn Monate Dienst schieben soll. Doch statt – wie erwartet – in einer Arrestzelle landete der junge Pazifist am Freitag schon wieder in seiner Hamburger Heimat: Freies Wochenende statt staatlich verordnetem Freiheitsentzug.
Doch die Folgen der Verweigerung sind für Clasen noch lange nicht ausgestanden: Da er sich weiterhin weigert, seine Bundeswehr-Klamotten anzuziehen oder gar den „Dienst an der Waffe“ zu leisten, erwarten den Altonaer bis zu 69 Tagen Arrest und eine Gerichtsverhandlung. „Eine mehrmonatige Bewährungsstrafe nehme ich für meine Überzeugung in Kauf“, sagt der 20jährige, der sich „auch als Zivildienstleistender nicht an einem Krieg beteiligen“ will.
Clasen hatte seine Einberufung am 25. Januar zugestellt bekommen, als er während eines mehrmonatigen Urlaubs im Ausland weilte. Als er nach Hamburg Anfang März zurückkehrte, hätte er seinen Dienst eigentlich schon angetreten haben müssen. Doch stattdessen schrieb der junge Mann erst einmal seine Kriegsdienstverweigerung und tauchte unter. Die Feldjäger suchten ihnen bei seiner Mutter und seinen Großeltern – wo ihnen allerdings jeweils der Zutritt verweigert wurde – und hörten sich in seinem Bekanntenkreis um.
Da der „Deserteur“ nicht jahrelang in der Illegalität leben wollte, ließ er sich am Donnerstag von den Feldjägern abführen, die überraschenderweise in Zivil auftauchten und die Handschellen stecken ließen. Das freie Wochenende aber wird René Clasen ganz besonders genießen: Da er ab Montag „jeden Befehl verweigern“ wird, dürfte er so schnell keine Gelegenheit mehr bekommen, einen Sonntag außerhalb der Arrestzelle zu verbringen.
Marco Carini
Anlaufstelle für Totalverweigerer: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner, Amandastraße 58,
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen