Wand und Boden
: Künstlerin Soundcard

■ Kunst in Berlin jetzt: subREAL, Pat Binder, Brian Eno

Es sind nur zwei Künstler, aber schon wegen des Namens und ihrer rumänischen Herkunft denkt man bei subREAL an ein gewaltiges Kollektiv. Ein Eindruck, den die Ausstellung im NBK, Chausseestraße 127/128, noch bestätigt. Dort haben Calin Dan und Josif Király eine Kammer in den Galerieraum gebaut und mit tausend schwarzweißen Fotografien tapeziert. Das Motiv ist Kunst, ein tonnenschweres Archiv: Skizzen, Gemälde, Plastiken von Staatskünstlern und neuen Wilden; Agitprop, Parteiempfänge und Happenings.

Draußen liest eine Frauenstimme im Singsang lauter Künstlernamen, von einem Klingelzeichen unterbrochen. Stieglitz, Rodchenko und Paul Klee bleiben im Gedächtnis, dann versinkt der Endlosschwall wie Begleitmuzak. Statt dessen hat man Bilder, und auch die verlieren bald ihre Konturen. Ab und zu stechen grafische Elemente wie die Herzen einer Aids-Aufklärungskampagne hervor, ansonsten folgt Portrait auf Akt auf Abstraktes auf Portrait. Oder das Konterfei von Picasso, der in drei Variationen abgebildet ist. Doch auch der Geniekult versiegt, wenn nebenan ein unbekannter Greis realsozialistische Beine modelliert. „Dataroom“ hat nichts mit den Verfügbarkeitsutopien im Netz gemein – es ist das Himmelreich, in das die Kunst des Guten, Schönen und Wahren komplett eingeht, sollte sie der Weltgeist einmal vereinen. „Wenn die Geschichte ein Archiv kollektiver Erinnerungen ist, ist die Zukunft nicht notwendig“, haben subREAL dem Katalog angefügt. Darüber kann man entweder staunen oder träumen. Philip Morris jedenfalls hat es finanziert.

Bis 5. 5., Di.–Fr. 12–18, Sa./So. 12–16 Uhr

Bei Pat Binder war die Geschichte bereits kollektiv am Werk: Seit zwei Jahren lebt die argentinische Künstlerin, deren deutschstämmige Großeltern während des Ersten Weltkriegs aus Rumänien nach Südamerika emigrierten, in Zürich. Daraus resultiert ein stark biographisch geprägtes Verhältnis zur Kunst: „Für mich war es auch ein existentieller Zwischenraum, in dem ich zwischen der chaotisch-leidenschaftlichen Oberflächlichkeit Argentiniens und der selbsthemmenden deutschen Gründlichkeit ständig hin- und hergetrieben wurde.“

Die Arbeiten der 36jährigen sind den Polen „Nomadentum“ und „Medien“ verhaftet. Ihr „Zapping“ in der ifa-Galerie dient als eine Art Pendel, um alle möglichen Identitäten auszubalancieren. Wo sollte sich der Mensch heimisch fühlen, wenn er sich stets auf Reisen oder in irgendwelchen Kanälen befindet? Binders Installationen und Videos sind von flüchtigen Bildern geprägt, die transparent auf Glasscheiben gedruckt übereinandergeschichtet werden. Dadurch formen sich Landschaften, ohne daß sie reale Orte beschreiben würden. Im Nirgendwo der Medien: die Künstlerin. So schimmert unter einer Flut aus Fernsehstills von arte und MTV bis zum Fahndungsfoto der Aum-Shirin- Sekte ein nackter Frauenkörper durch. Die Apparate-Rhetorik klingt zwar abschreckend, wird von Binder jedoch durch die Leichtigkeit im Umgang mit dem Material abgefedert.

Bis 5. 5., Di.–So. 14–19 Uhr, Friedrichstraße 103

Daß es sich bei „Ambient“ um „Musik als Möbel“ handelt, ist auch so eine Legende. Die Klang-Installationen von Brian Eno zumindest sind nahezu klassisch konzipiert, nicht anders als die kleinen krächzenden Lautsprecher, mit denen Julius Galerien ausstaffiert oder John Cages monotone akustische Environments. Letzterer war vor einem Jahr in der Parochial-Kirche gezeigt worden, wobei nun Enos „Generative Music“ dort nicht weniger sakral wirkt. In der Mitte zwischen allen Kirchenbänken steht lediglich ein Computer, der den Raum mit einem gleichmäßigen Tonfluß beschallt. Das sieht zunächst ironisch aus, löst sich aber kaum von der Architektur ab. Vielmehr scheint die anhaltende Melodie aus unzähligen Boxen herabzuschweben. Auch das Zustandekommen des Sounds ist gespenstisch, statt einer Komposition dient ein gewisses KOAN-Programm als Grundlage. Die Software sucht sich von allein aus 150 Parametern zusammen, welche Folgen die Soundcard abspielt – ein System, das mit sich selbst beschäftigt ist. Als Besucher kommt man schwer dazwischen.

Im Gegenzug hat Eno seine „Music for Airports“ von 1978 für den Flughafen Tempelhof überarbeitet. Bis in Details schmiegt sich die Musik dem Ort an, selbst die Ansagen verfließen im Klangteppich. Dezent plätschern Klaviere in der langgezogenen Empfangshalle die Schalter entlang, manchmal hört man auch magellanartige Chöre über dem Kopf. Dort aber hängen nur zwei Flugmaschinen nach Zeichnungen von Leonardo da Vinci.

Bis 8. 4., tgl. 11–17 Uhr (10–20 Uhr) Harald Fricke