Kranzler-Eck wird „abgespeckt“

Die Architektenkammer Berlin erwägt Klage gegen die Hochhaus-Planung auf dem Victoria-Areal. Stadtentwicklungssenator Strieder will Investor Kompromißvorschlag machen  ■ Von Rolf Lautenschläger

Die Gegner des geplanten Hochhausriegels am Victoria- Areal (Kurfürstendamm/Joachimstaler Straße) wollen den „Kampf um das Kranzler“ (Spiegel) noch einmal aufnehmen. Weil sich „erhebliche Bedenken“ gegen den Bebauungsplan (B-Plan) ergeben haben, erwägt die Architektenkammer Berlin eine Klage gegen das Verfahren.

Die Voraussetzungen für eine Festsetzung des B-Plans, sagte Kammerpräsident Cornelius Hertling gestern bei einer Diskussionsveranstaltung, „sind heute anders als noch vor einem Jahr“. Es sei unklar, so Hertling, ob der neue Investor – die Deutsche Immobilien Fonds AG (Difa) – ebenso viele Quadratmeter Bürofläche beanspruchen könne wie der vorherige Investor, die Victoria-Versicherung. Diese hatte Ende Dezember 1995 in einem der größten Immobiliendeals das Grundstück samt Planung für 800 Millionen Mark an die Difa verkauft. Im September hatte das Abgeordnetenhaus noch den B-Plan für den 160 Meter langen und 50 Meter hohen Glaskasten des Architekten Helmut Jahn gebilligt. Die Victoria hatte den Senat mit dem Versprechen geködert, 1.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Die Difa fühlt sich nach Aussage von Vorstandsmitglied Jürgen Ehrlich an eine solche Verabredung aber nicht gebunden. Hertling: „Wenn das Verfahren nicht Rechtens ist, müßte der Vorgang wieder ins Abgeordnetenhaus zurück.“

Schützenhilfe gegen den breiten Kasten, dem Teile des denkmalgeschützten Kranzler-Ecks zum Opfer fallen würden, erhält die Architektenkammer von der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus sowie von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Der hatte noch vor Wochen einen Teilabriß des Cafés Kranzler zugunsten einer Blockrandbebauung gefordert. Der 120 Meter lange Riegel müsse „abgespeckt“ werden, sagte jetzt Strieders Sprecher Manfred Ronzheimer, damit sich die City West nicht zum Manhattan von Berlin entwickle. Der Senator wolle mit einem „Kompromißvorschlag“ an die Investoren herantreten.

Dieser sieht vor, das Kranzler- Eck und die Bebauung entlang der Joachimstaler Straße zu erhalten. Dafür soll die Hofseite des Areals dicht bebaut werden und am Hochbahnviadukt ein Hochhaus entstehen. Insgesamt entstünden damit 55.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche. In einer zweiten Variante wird das Kaufhaus Bilka abgerissen und ein Block gebaut.

Auch Rudolf Kujath, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SDP-Fraktion, forderte, die Genehmigung für den Bau nicht zu erteilen. Nachdem die Victoria-Versicherung verkauft habe, brauche sich das Abgeordnetenhaus nicht mehr an die getroffenen Beschlüsse zu halten. Es müsse neu beraten werden. Die Proteste könnten allerdings wenig nützen. Denn die Genehmigung für den Jahn-Bau liegt unterschriftsreif auf dem Tisch von Jürgen Klemann. Der Bausenator, sagte Klemann- Sprecherin Petra Reetz, „will den B-Plan unterschreiben“.