Die letzte Bastion

■ "Wetten, daß...?" zum 100ten: Ein kleiner Rückblick auf die erfolgreichste deutsche Gameshow (Sa., 20.15 Uhr, ZDF)

Hundertmal „Wetten, daß...?“: Allein mit dem Material aus dem Papierkorb der Redaktion könnte man vermutlich ganze Unterhaltungskanäle gestalten. Dereinst, wenn der jüngste Tag mit seinen 500 Fernsehprogrammen kommt, werden sich dann auch Pornokanäle um den Anschein eines Vollprogramms bemühen. Neben phantasievollen Geschichten, Nachrichten aus der Nudistenszene und Werbung wird man dort vielleicht auch Gameshows präsentieren. Und sogar dafür gäbe der „Giftschrank“ der „Wetten, daß...?“-Redaktion noch genug her.

Schon die Beschreibungen dieser Wettvorschläge sind kaum jugendfrei, geschweige denn ihre Ausführung. Vergleichsweise harmlos ist die Idee, „Zigarettenmarken durch Knutschen mit der betreffenden Raucherin zu erkennen“. Ein anderer Vorschlag läßt hingegen auf eine echte Notlage schließen: „Wetten, daß ich drei verschiedene Frauen innerhalb 30 Minuten zum Orgasmus bringen kann. Bitte schellstmöglich um Antwort. Es dringt.“ Und dann gibt es da noch jemanden, dem sie auf dem Pornokanal ganz sicher den Schwarzenegger-Ehrenpreis verleihen würden: „Ich wette, daß ich eine etwa vier Kilo schwere Einkaufstüte mit meinem Penis tragen kann (kurze Zeit).“

Wer nun glaubt, nur Männer dächten unter der Gürtellinie, irrt. Eine Zuschauerin erhoffte sich ewigen Ruhm, indem sie „innerhalb von 80 Sekunden sechs von acht mir zur Verfügung stehenden x-beliebigen Männer zum Orgasmus“ bringen wollte. Die Versuchspersonen wollte die Wettkandidatin übrigens „durch Annoncen in einschlägigen Blättern“ gleich selbst beibringen.

Natürlich hatten diese unmoralischen Angebote nie auch nur den Hauch einer Chance in Deutschlands erfolgreichster Familiensendung. „Wetten, daß...?“ ist so etwas wie die letzte Bastion der klassischen Samstagabendunterhaltung. Allein Boxkämpfe und wichtige Fußballspiele bewegen sich mit ähnlich regelmäßiger Konstanz in zweistelliger Millionenhöhe. 1995 kam „Wetten, daß...?“ auf durchschnittliche Marktanteile von 43 Prozent; keine andere eigenproduzierte Fernsehsendung hat einen vergleichbaren Erfolg. Die kürzlich gezeigte erste Neuausgabe von „Verstehen Sie Spaß?“ zum Beispiel, dank des Zugpferdes Dieter Hallervorden und der Neugier des Publikums sicherlich für gute Quoten prädestiniert, sahen nur 7,6 Millionen ZuschauerInnen.

Einzig „Wetten, daß...“ also macht noch quer durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten das Fernsehgerät zum Kaminfeuer der Nation; in einer mehr und mehr segmentierten Fernsehlandschaft sorgen allein noch Auftritte von Stars wie Michael Jackson oder Madonna in Kantinen und auf Schulhöfen für Gesprächsstoff – und natürlich die Wetten: Ein Lkw wird auf vier Biergläser gehievt, hundert Sorten Schokolade und die Herkunftsländer von Briefmarken werden am Geschmack erkannt; eine Weinflasche wird per Hubschrauber entkorkt; ein Fallschirmspringer steigt bei der teuersten Wette in 4.500 Meter Höhe aus einem Heißluftballon und bei 1.500 Metern wieder ein. Und dann war da noch der Mann, der Buntstiftfarben mit der Zunge erkannte...

Über das Geheimnis des Erfolges wird seit eineinhalb Jahrzehnten gerätselt. Am 14. Februar 1981 präsentierte Frank Elstner die Show zum ersten Mal. Die Idee war ihm tatsächlich im Schlaf gekommen. Dem Nimbus, den ihm „Wetten, daß...?“ brachte, konnte er nie wieder gerecht werden. Nach teuren Flops fürs ZDF („Nase vorn“) und RTL („Flieg mit AiRTL“), liest der ewig bieder wirkende Moderator heute in einer schematischen Gameshow Stichwörter von Kärtchen ab („Jeopardy“). Das ist der Fluch von „Wetten, daß...?“: Es macht Moderatoren groß, aber läßt sie nicht los. Thomas Gottschalk, bis dahin so etwas wie der Berufsjugendliche des ZDF, wurde dank der Show zum einzigen deutschen Megastar. Alles, was er danach versuchte, floppte; dankbar nahm Gottschalk daher das Angebot an, seinen beim ZDF ohnehin gründlich glücklosen Nachfolger Wolfgang Lippert abzulösen.

Traumpaar der Jubiläumsshow sind übrigens Harald Juhnke und Senta Berger: Er war fünfmal Wettpate, sie viermal. Treuester Fan aber ist Peter Maffay: Er singt heute schon zum achten Mal in der Sendung. Außerdem gratulieren Take That, Cliff Richard, Frank Elstner und Wolfgang Lippert. Tilman P. Gangloff

Eine vollständige Chronologie der Sendung gibt „Das offizielle Wetten, daß...-Buch“, Eichborn-Verlag, Frankfurt 1995