■ Wir lassen lesen
: Beckmann schreibt, Sand rieselt in den Köpfen

Reinhold Beckmann, „der moderne Sportberichterstatter“, kann schreiben? Kann er nicht. Deshalb hat ihm der Goldmann- Verlag mit Sven Böttcher (u. a. Co-Drehbuchautor vom „Schattenmann“) einen „der vielseitigsten und produktivsten jungen deutschen Autoren“ zur Seite gestellt, um, so läßt sich vermuten, zwischen zwei Werbeblöcken „LiebesLeder. Der kleine Fußballberater“ abzufassen, den – noch mal bescheidener O-Ton Klappentext – „geistreichsten Angriff auf das Abwehrbollwerk Lachmuskulatur, den Fußballdeutschland je gelesen hat“.

Um's vorwegzuschicken: Auf den 190 Seiten wurden vier bis fünf Lachanlässe versteckt, die für sich genommen zwar auch kärglich bis unerheblich sind, aber auf dem Marsch durch die trostlose Witzelwüste, die sich als Sammelsurium aus dem Grundbuch deutscher Dumpfkomik präsentiert, zum trostreichen Begleiter werden („Morgens um sieben ist die Welt noch in Dortmund“, muntert Sepp Maier auf). Aber ansonsten kommen ausschließlich große Geschütze zum Einsatz, schießt man aus allen Lach- und Sachkanonen, daß es nur so scheppert, hohl scheppert. Was mag spezifisch lustig, ja belustigend sein, endlose Listen aus Trainer- und Spielersprüchen zu erstellen, die obendrein zu guten 94 Prozent eh jeder kennt, der sich für Fußball interessiert? Und was soll ein Jorginho-Zitat wie „Die Sprache ist entscheidend“? Witzig sein? Zum Nachdenken anregen? Setzt uns der Fettdruck auf die Fährte? Richtig: „Entscheidend ist der Antritt, und zwar im richtigen Moment.“ (Andreas Zickler)

Kein Gedanke, kein Konzept, aber abkupfern, ohne die Quelle zu nennen: in einer Liste mit Fußball-Literatur, von der sich Beckmann/Böttcher inspiriert fühlen, fehlt Gerhard Henschels und Günther Willens „Supersache!“ (Weißer Stein, 1994). Ein gutes Zehntel von „LiebesLeder“ aber kopiert die dort weit liebevoller ausgeführte Idee, die Magie der „schieren Mannschaftsaufstellung“ (Henscheid) mit fiktiven Teams wiederzubeleben – etwa durch die „Tier-Elf“ (Kleff, Hahn, Täuber usw.). Hier nennt man's nun „Papierformen“ und brilliert „Woodstock, Hahn, Hähnchen“ ...

Ganze fünf zusammenhängende Kleintexte birgt das Werk, einer liebloser als der andere. Ein platonischer Dialog über das „vollkommene Spiel“ bedient sich ungeniert bei Monty Pythons zeitlosem Philosophenmatch Deutschland – Griechenland und nutzt weidlich die aus „Search For The Holy Grail“ entliehene Zahlenkomik. Peinlicher noch als solche granithart humorige Fußballironie kommen Hinweise zur aktuellen Reportersprache daher. Während man Werner Hansch entsprechend der Sat.1- Hausorder ausgiebig belobigt (qua Auflistung seiner „besten

Freut sich Reinhold, quält sich der Leser. Foto: Sat.1

Seiten“), wird auch noch das „ran“-interne Dekret, keine Standardwendungen mehr benutzen zu dürfen, via die Abteilung „Formulierungen, die ihre Schuldigkeit getan haben“ geschickt ins Spiel gebracht. Warum schließlich neben „Allerweltsfoul“ und „Flankengott“ auch „Harry Valérien“ ein „vom Aussterben bedrohter Fußballbegriff“ zu sein hat, wird ein schamloses und dummes Rätsel bleiben wie der Titel dieses hastig mit Schere und Prittstift zusammengestoppelten „Allroundwerk(es) gegen semiprofessionelle Schwallköpfe“.

„LiebesLeder“ will mit der Freude am Versprecher die Kundschaft narren. Sie wird klüger sein und merken: Das Autorenduo liebt den Fußball nicht, deshalb fällt ihre „Liebeserklärung“ auch fade, geistlos und gedankenfaul aus. Sie ist ein einziger Versprecher, ein Versehen, dessen bestes Resultat die auf der Rückseite zitierte Erkenntnis des Lothar Matthäus bleibt: „Wir dürfen den Sand jetzt nicht in den Kopf stecken.“ Und für einen solchen Ertrag sind 24 Mark achtzig wohl doch ein wenig übertrieben. Jürgen Roth

Reinhold Beckmann/Sven Böttcher: „LiebesLeder. Der kleine Fußballberater“. Goldmann, München 1996, 190 S., 24,80 Mark