„Was unten rauskommt“

Vom eigensinnigen Spinner zum pedalierenden PR-Wunder: Hubert Schwarz startet heute, um mit dem Fahrrad in 80 Tagen die Welt zu umrunden  ■ Aus Berlin Nina Klöckner

Seine Mutter war in Sorge. Er solle es doch mit dem „Sporteln“ nicht so übertreiben und bloß nicht den Beruf dafür aufs Spiel setzen. Wie Mütter eben so sind. Und wie Söhne eben so sind, hat Hubert Schwarz natürlich nicht auf seine Mutter gehört. Außerdem war er damals schon Mitte dreißig, reif genug für eigene Entscheidungen. Vor vier Jahren gab Hubert Schwarz seinen Job als Jugendpfleger auf, seitdem pedaliert er als Extremradfahrer über den ganzen Globus. Quer durch Amerika, rings um Australien, möglichst weit, möglichst schnell, immer verrückter, immer extremer. Sein neuester Einfall: Im Sinne von Jules Verne in 80 Tagen um die Welt, natürlich mit dem Rad. Heute morgen um zehn Uhr wird er sich am Brandenburger Tor radelnd in Richtung Rom verabschieden, im Juni will er wieder in der Hauptstadt eintreffen.

Schwarz hat viel gelernt in den letzten Jahren. Gelernt sich zu inszenieren, gelernt sich zu vermarkten. Es gab Zeiten, da wurde er behandelt wie viele Extremsportler, als eigensinniger Spinner. Doch wenn der Mittelfranke inzwischen sein neuestes Projekt vorstellt, wird daraus ein großangelegtes Medienereignis. Schmunzelnd sitzt der schmächtige Mann mit dem stattlichen Schnauzer dann am Tisch, erzählt von den Strapazen der letzten Rennen, erzählt die vielen kleinen Begebenheiten, die sich unweigerlich ereignen, und vergißt dabei natürlich nicht, in zahlreichen Nebensätzen all seine Sponsoren zu erwähnen, die als Gedächtnisstütze für den Betrachter im Hintergrund zusätzlich an einer großen Tafel angebracht sind.

Eines bleibt jedoch meist unklar. Was treibt einen erwachsenen, scheinbar doch recht realitätsnahen Menschen dazu, Tausende von Kilometer auf dem Rad über die fünf Kontinente des Erdballs zu rasen? Was ist so berauschend daran, abends wie tot vom Sportgerät zu fallen, sich den wunden Körper pflegen zu lassen, um sich am nächsten Morgen wieder der gleichen Tortur auszusetzen? Schwarz ist davon überzeugt, „daß der Mensch nur 30 Prozent seiner vorhandenen Energie nutzt“. Und diese Trägheit des Menschen gelte es zu überwinden. „Das Zusammenspiel von Körper und Geist ist entscheidend für das, was unten rauskommt.“ Kein Zucken im Mundwinkel, der Mann meint hier wohl doch nur die Ausdauer seiner Waden. Soviel zum Sinn.

Damit seine Unternehmungen nicht nur ihm selbst lohnenswert erscheinen, engagiert sich der Extremsportler für schwerkranke Kinder. Als er vor einiger Zeit mit seiner Frau in Australien weilte, begegnete ihm ein zweijähriges, schwerkrankes Kind, was „mir am liebsten die Tränen in die Augen getrieben hätte“. Dieses Erlebnis gab den Ausschlag für sein soziales Engagement, was ja an sich nicht zu verurteilen ist. 700.000 Mark denkt Schwarz durch seine Aktion einzunehmen. Sein Hauptsponsor sicherte bereits 10 Mark für jeden gefahrenen Kilometer zu. Doch wenn Schwarz dann wieder mit glänzenden Augen von seiner Weltumrundung schwärmt, hegt sich so mancher Zweifel an der Effektivität.

23.000 Kilometer wird der Bayer in 73 Netto-Radltagen zurücklegen, über 300 Kilometer pro Tag. Logistische Höchstleistungen hätte sein Team, das inzwischen auf 15 Personen angeschwollen ist, vollbracht, schwärmt Schwarz. 80 Flüge mußten gebucht werden, in jedem Fall ist dafür gesorgt, daß Schwarz immer ein Rad zur Verfügung steht. Begleitfahrzeuge fahren alle Strecken im Vorfeld der Reise nochmals ab. 600 Dosen Spezialessen werden die Crew auf ihrer Abenteuerreise begleiten. 500.000 Mark wird die ganze Aktion kosten, 500.000 Mark, die die schwerkranken Kinder sicher sehr gut gebrauchen könnten. Und in Europa läßt es sich ja eigentlich auch ganz gut Radfahren.

Wenn man Schwarz länger zuhört, dann merkt man, daß er eben in erster Linie Radfahrer ist und kein Samariter. „Wenn ich auf meiner nächsten Fahrt nach Tel Aviv komme, dann denke ich nicht, o Mann, hier explodieren dauernd Bomben.“ Im Gegenteil. Er freue sich einfach an der Landschaft und, daß er in Israel radfahren könne. Wichtig sei dann nur, „daß ich träumen kann, und die Kraft aus mir selbst schöpfe“.

Aufhalten läßt sich Schwarz sowieso nicht, nicht von Müdigkeit, nicht von Erschöpfung. Einzig „Malariamücken und schlechtes Wasser“ bedrohen die Expedition. Ein popeliger Schnupfen wie momentan, der erste seit Jahren, sei natürlich kein Hindernis.

Die sportlichen Grenzen hat Schwarz längst ausgelotet. Nicht umsonst ist er mehrfacher Weltrekordler im Extremradfahren. Doch leider scheint der Spitzensportler Schwarz immer mehr zum PR-Gag zu verkommen. Und Leute, die da mitspielen, gibt es genug. Die berühmt-berüchtigte Kelly- Family widmete dem Sportler für seine Weltreise gar einen eigenen Song. Außerdem wird Schwarz, während er unten tritt, oben ein Diktiergerät besprechen. Nur wenige Tage nach seiner Rückkehr sollen Buch und CD-ROM bereits im Handel erhältlich sein.