■ Mit Schlachtpreisen auf du und du: Markt tot, Rind lebt
Berlin/München (taz) – In vielen Metzgereibetrieben blieben gestern die Messer sauber. Die Angst vor der Rinderseuche BSE verdirbt das Geschäft. Ein fränkischer Viehhändler berichtete, daß ihm mehrere Schlachthöfe kein Preisangebot machen wollten. „Auch die Bauern halten ihre Tiere zurück. Sie sind nicht bereit, zu erheblich niedrigeren Preisen zu verkaufen“, berichtet Bernhard Schlindwein von der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle.
Noch letzte Woche konnten die Viehzüchter damit rechnen, pro Kilo Jungbulle 5,28 Mark zu bekommen. Der Marktbeobachter fürchtet, daß die Preise massiv absacken. Denn die Landwirte können die Tiere nicht lange zurückhalten. Zum einen fressen sie Futter, ohne entsprechend viel an Gewicht zuzunehmen. Zum zweiten soll Platz geschaffen werden für die Jungtiere. „Bei Preisen unter fünf Mark pro Kilogramm müssen sich zahlreiche Mäster verabschieden“, lautet Schlindweins Prognose. Der Leiter der Marktabteilung des Bayerischen Bauernverbands (BBV) zeichnet ein ähnliches Szenario: „Sollte, um den schlimmsten aller Fälle einmal anzunehmen, der Rindfleischabsatz nicht mehr auf die Füße kommen, wären in der Folge bis zu 490.000 Arbeitsplätze in Gefahr.“
Schon in den letzten Jahren hatten die deutschen Rinderzuchtbetriebe mit permanent sinkenden Preisen zu kämpfen. Vor zwei Jahren konnten sie noch mit 72 Pfennig mehr pro Kilogramm Lebendfleisch rechnen. Doch die Berichte über den Rinderwahn verdarben vielen KonsumentInnen den Appetit, zumal Anfang 1994 erstmals auch von vier BSE-Fällen in Deutschland die Rede war.
Aber auch die EU- und Gatt- Vereinbarungen belasten die Kassen vieler Bauern. Zum einen wurde in Brüssel verabredet, daß die Gemeinschaft die Preise für Fleisch, das längerfristig ins Kühlhaus wandert, um 15 Prozent senkt. Die Einlagerung ab einer bestimmten Schlachtmenge dient dazu, Knappheit zu erzeugen, um die Verkaufspreise zu stabilisieren.
Im Rahmen der Welthandelsvereinbarung Gatt wurde zudem beschlossen, daß die Europäische Union nur noch etwa eine Million Tonnen subventioniertes Rindfleisch exportieren darf – mit sinkender Tendenz. In früheren Jahren warfen die EU-Bauern bis zu 1,3 Millionen Tonnen auf den Weltmarkt. A. Jensen/K. Wittmann
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