Kulturkontakte sind satanisch

■ Nur in Wirtschaftsfragen läßt der Iran mit sich reden

Als Hans-Dietrich Genscher 1984 als erster hochrangiger Politiker aus dem Westen die Islamische Republik besuchte, rollten im Land buchstäblich die Köpfe. In der Revolution von 1979 hatten sich die Religiösen durchgesetzt und verfolgten Königsanhänger, Kurden, Kommunisten. Den damaligen Bundesaußenminister hielt dies nicht davon ab, die guten Witschaftsbeziehungen beider Länder aus aus der Schahzeit zu reaktivieren. Der folgende Dialog war vor allem ein geschäftlicher.

Genscher folgten zahlreiche Politiker und noch mehr Handeltreibende. Sie sorgten dafür, daß die Bundesregierung zum Geschäftspartner Nummer eins des Iran wurde. Die Beziehungen wurden auch nicht durch den von Ajatollah Ruhollah Chomeini am 14. Februar 1989 ausgesprochenen Mordaufruf gegen den Autor der „Satanischen Verse“ getrübt. Ebensowenig durch die regelrechten Exekutionen der beiden Generalsekretäre der „Kurdischen Demokratischen Partei – Iran“ (KDP-I) Abdolrahman Ghassemlou 1989 in Wien und Mohammed Sadegh Scharafkandi 1992 in Berlin.

1993 schüttelte der Geheimdienstkoordinator Helmut Kohls, Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer, dem iranischen Geheimdienstminister, Ali Fallahian, in Bonn die Hand und verkündete die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem iranischen Geheimdienst.

Einzig auf kultureller Ebene führten die iranischen Untaten zu Konsequenzen. Auf Druck mehrerer Bundesländer ist das deutsch- iranische Kulturabkommen bisher nicht in Kraft getreten – entgegen den Bemühungen der Bundesregierung. Aus der Sicht vieler iranischer Herrschender ist die Abstinenz von deutscher Kultur kein Verlust.

Weil Kulturkontakte zum westlichen Ausland die Bevölkerung auf falsche Gedanken bringen könnten, gelten sie den Konservativen als satanisch – im Gegensatz zu wirtschaftlicher Kooperation. Mittlerweile haben fast alle westlichen Kulturinstitutionen im Iran ihre Pforten geschlossen. Iranische Intellektuelle betrachten diese Entwicklung mit Sorge. Sind es doch gerade kulturelle Kontakte, durch die sie sich eine geistige Öffnung des Landes erhoffen.

Seit Anfang 1995 verhandelt die EU mit der Führung der Islamischen Republik über eine „Fatwa- freie Zone“ für Rushdie. Wenigstens in Europa solle der Literat seines Lebens sicher sein, lautet die Minimalforderung. Als gemäßigt geltende iranische Politiker, wie Rafsandschani und Außenminister Ali Akbar Velajati, erklären mittlerweile, der Iran werde keine Killerkommandos auf Rushdie ansetzen.

Gleichzeitig betonen jedoch konservative Kreise im Iran, an eine Rücknahme der Fatwa Chomeinis sei nicht zu denken. Auf die anstehende Teheranreise der EU- Troika schauen im Iran gebliebene Regimekritiker mit Skepsis. „Ein kritischer Dialog kann nur funktionieren, wenn er ernst gemeint ist“, meint ein Schriftsteller. Dazu gehöre, daß die diplomatischen Vertretungen in Teheran auch Kontakte zu Oppositionellen unterhalten. Doch „gerade die deutschen Diplomaten sind da sehr zurückhaltend“. Auf jeden Fall müsse der Dialog mit mehr Druck verbunden sein.

Die iranische Wirtschaft ist dringend auf ausländische Hilfe angewiesen. Die Einnahmen aus dem Ölverkauf sind durch den Verfall des Ölpreises dramatisch gesunken, die Inflationsrate beträgt über 60 Prozent. Eine gute Zeit für einen wahrhaft kritischen Dialog. Thomas Dreger