Werder im Frühling

■ Besser als der Mega-Hit / Bremen zeigte Farbe beim 2:1 gegen Leverkusen: „Mehr von dem Theater“ schreibt Klaus Pierwoß

Das putzmuntere und abwechslungsreiche Spiel gegen Bayer Leverkusen machte es nicht nur wegen des 2 : 1 Sieges deutlich: Bei Werder geht es wieder aufwärts. „Dixie“ Dörner hat der Mannschaft, die durch das Wechselfieber eines Aad de Mos eher verunsichert denn dynamisiert agierte, wieder Ruhe und Selbstvertrauen gegeben. Auch der verletzungsbedingte Ausfall (bis Saisonende) des zuletzt in ansteigender Form spielenden Cardoso verhindert nicht, daß sich immer stärker die Formation herauskonturiert, die Spielerindividualität und Mannschaftsgefüge glückhaft miteinander vermittelt. Der wieder einsatzfähige Mirko Votava spielte, als hätte es keine Pause für ihn gegeben; das spricht für die Stabilisierung der gesamten Elf. Ich meine zu beobachten, Trainer Dörner läßt seine Spieler selbstverantwortlicher agieren als sein Vorgänger.

Wann hat es in den vergangenen Bundesliga-Heimspielen von Werder einen solchen Auftakt wie diesen Paukenschlag der 1 : 0 Führung gegeben? Der Labbadia-Kopfball nach Baslers kunstvollem Freistoß ließ bei den 26.000 Zuschauern gegen die erbitterte Kälte Frühlingsgefühle aufkommen und setzte bei der Mannschaft Kräfte frei!

Bezeichnund für das von Pressing und Kampfentschiedenheit bestimmte Spiel der Werderaner: Marco Bode setzte erfolgreich gleich in der Anfangsphase auf dem linken Flügel einem verlorenen Ball nach und servierte ihn gefühlvoll für den wieder in die Mannschaft eingegliederten Wladimir Bestchastnykh zum Torschuß, der freilich mißlang. Ebenfalls bezeichnend für das von Trainer Dörner entwickelte Mannschaftsgefüge: Die glänzend funktionierende Abseitsfalle der Werder-Abwehr, in die die Bayer-Spieler vor allem in der ersten Spielzeit notorisch hineinrannten, bevor sie in der zweiten Hälfte dieses Gegenmittel selbst erfolgreich einsetzten.

Von feinster Fußball-Delikatesse war der gefühlvolle Heber des alten Stürmer-Fuchses Rudi Völler, der den Ball mit genauem Blick für die Situation über den zu weit vor seinem Tor postierten Oliver Reck hinweg zirkelte. Glück für Werder, daß dieser Ball vom Pfosten zurücksprang und Reck den anschließenden Nachschuß meisterte: ausgleichende Gerechtigkeit. War doch kurz zuvor ein brillanter Basler-Freistoß von der Querlatte des Bayer-Gehäuses abgeprallt. Der aus einem Freistoß von Neuendorf resultierende Ausgleichstreffer war übrigens eine exzellente Basler-Kopie: Oliver Reck hatte da wohl keine Chance.

Der Leverkusener Ausgleich fiel nach der Pause, als „Sir Erich“ das Bayer-Team taktisch besser auf die Werderaner eingestellt hatte und seine Akteure so druckvoll spielten, daß zu befürchten war, die Nicht-Verwandlung zahlreicher Chancen durch die Werder-Spieler könnte sich rächen.

Aber Bruno Labbadia schlug an diesem Tag mit zwei Kopfballtoren zu, wobei er bei seinem zweiten Treffer eine hin- und herwogende und nervenkitzelnde Kopfball-Staffette erfolgreich abschloß. So wichtig abermals auch die beiden Treffer psychologisch für ein selbstbefreiendes Knotenplatzen waren, einen Stellenwert für sich hat es schon, wie temperamentvoll und gestenreich der neu verpflichtete Stürmer seine Freude über die erzielten Treffer ausagiert – dieses Theater möchten wir doch, bitteschön, noch öfters sehen.

Auch wenn es wünschenswert gewesen wäre, daß bei Wladi mit dem Treffer der Knoten geplatzt wäre, das Angriffsduo Labbadia und Bestchastnykh sorgte für permanente Unruhe in der Bayer-Abwehr wie umgekehrt Dieter Eilts und Mirko Votava unspektakulär, aber effektiv ein hervorragendes Mittelfeld-Duo abgaben.

Und das Vergnügen über die blitzartigen Antritte des Mario Basler ist immer wieder vergleichbar mit der Freude über einen sich explosiv entfaltenden Feuerwerkskörper, wenngleich er wieder einmal variantenreich vorspielte, wie bei ihm Genie und Eigensinn miteinander verkoppelt sind.

Insgesamt ein farbiges Spiel aus dem Bundesliga-Alltag, das mir besser gefallen hat als das schon vorher zum Mega-Hit totgeredete Spiel-Gekrampfe in München.