Gibt es ihn oder gibt es ihn nicht ...

■ ... den weiblichen Blick? stritten sich drei Regisseurinnen des Bremer Theaters

Es ist ja nicht so, daß das Thema neu wäre. Darüber, was weibliche Ästhetik sein könnte, wenn es sie denn gibt, wird seit Beginn der Frauenbewegung diskutiert und gestritten. Anlaß, dies jetzt auch unter dem larmoyant-verbrauchten Titel „Der andere Blick“ am Sonntag morgen im Bremer Theater in einer Podiumsdiskussion zu tun, war die konkrete Situation. Susanne Meister, Marion Hirte und Marion Tiedtke arbeiten als Dramaturginnen und moderierten; Barbara Bilabel, Bettina Fless und Christina Friedrichs sind Regisseurinnen am Theater. Um letztere ging es.

„Wann sprechen Sie denn endlich über das Thema, ich will doch hier nicht eine beliebige Diskussion über Frauen im Beruf hören“, wurde nach einer halben Stunde im Publikum geklagt. Das hatten sich die Moderatorinnen anders gedacht, nämlich so, daß die jeweilige Biographie Aufschlüsse über den Arbeitsansatz zu geben vermag. Die drei Frauen repräsentierten die Generationen der um die 50, um die 40 und um die 30jährigen. Und aus diesem Generationsgefälle kam auch Spannung auf in der Diskussion. Barbara Bilabel, die „Krankheit oder moderne Frauen“ von Elfriede Jelinek inszeniert hat, ist sich der Besonderheit des Weiblichen überdeutlich bewußt. Aus der Tatsache, daß Frauen keine Geschichte hätten, daß die großen Heldinnen der Männerdramen „immer krepiert sind“, will sie Funken schlagen für ein anderes Frauenbild. Eines, das provoziert, „damit überhaupt erst einmal etwas klar wird“. Sie will die „wüste Frau“, wie sie es nennt, darstellen, die „wilde Frau“, nicht das Opfer zeigen, sondern „zersplitterte Wirklichkeit“ und den „Irrsinn des Unbewußten“. Und etwas einfacher: „Ich will die sogenannten weiblichen Eigenschaften auf der Bühne provokativ in Frage stellen. Ein anderer Blick? „Ja!“ Ihre Radikalität ist ebenso überzeugend wie verblüffend, weil sie nicht einmal auf das Verständis von Frauen Wert legt: „Von denen werde ich genauso wenig verstanden wie von Männern“.

Der Generationsgraben schien unüberwindbar. Heillos und vor allem heftig vom Publikum widersprochen verhedderte sich Bettina Fless (Inszenierung: Lessings „Minna von Barnhelm“) in ihrer Argumentation mit der Behauptung, sie arbeite nicht als Frau, sondern als Künstlerin. Das zwar mit einer Biographie, die zugegebenermaßen in die Arbeiten einfließe, die aber jeder Mann auch habe. Nach ihrer Einschätzung kommt jede männliche Hochleistung mit der Unterstützung einer Frau zustande, was umgekehrt niemals der Fall sei. Weiblicher Blick? „Absolut nein!“ Nicht einmal Edith Clever, deren Regiearbeit sie als vorbildhaft beschrieb – „die atmet sogar mit den Schauspielern“ – ließ sie als Frau gelten, „das war Edith Clever, mehr nicht“.

Die Zwischenposition nahm Youngster Christina Friedrichs, ausgebildet an der Berliner Ernst Busch-Schauspielschule, ein (sie inszenierte in Bremen Wedekinds „Lulu“ und Büchners „Woyzeck“): „Ich inszeniere nicht mit dem Bewußtsein meines Geschlechts, ich inszeniere nicht gegen den Mann oder patriarchale Geschichte. Aber in der Arbeit selbst entstehen die Dinge, und die sind natürlich anders als bei Männern.“

Als Beispiel nennt sie ihre Lady Macbeth in Weimar, aus der sie ein bißchen mehr machen wollte als eine kriminelle Mörderin. „Ich suchte nach ihrer Lust, an die Macht zu kommen, ich wollte mich auch ein Stück weit mit ihr identifizieren“.

Von den drei Dramaturginnen war zu ihrer Arbeit nichts zu erfahren. Als Moderatorinnen bündelten sie auch die Thematik nicht strenger. Das ließ die Diskussion teilweise entgleisen, hatte aber den unbestreitbaren Vorteil einer Eigendynamik mit heftigen Kontroversen – untereinander, aber auch mit dem Publikum. Beides – thematische Stringenz und unberechenbaren Ablauf – kann man nicht haben. Ute Schalz-Laurenze