Mainhattan an der Weser

■ Ein Messeturm auf der Bürgerweide soll auf 148 Etagen Platz für Business vom Feinsten bieten Kulturanteil dabei

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aß es mit Bremen aufwärts gehen muß, darüber sind sich alle einig. Bloß wie? Jedenfalls nicht, indem man den Kopf in den Sand steckt. Eher schon, indem die Stadt die Flucht nach vorn antritt und selbstbewußt Messehallen auf der Bürgerweide plaziert. Messehallen schön und gut, hat sich auch Ex-Staatsrat Eberhard Kulenkampff gesagt, der seinerzeit die Bürgerweide in einen gut befahrbaren Zustand versetzte. Was wir brauchen sei aber ein Symbol. Messehallen, da klingt Turnhalle mit. Messeturm, da klingt Mainhattan mit. Kulenkampffs Vorschlag, unlängst in vertraulicher Runde im gediegenen „Flett“ vorgebracht, verdient zumindest Gehör.

Eine – wenn auch kleinere – Kopie des Frankfurter Messeturms soll her. Auf immerhin 148 Etagen entsteht Bürofläche vom Feinsten, fünf Konferenzsäle, sämtlich ausgestattet mit Overhead- und Dia-Projektoren mit Überblend-Technik, sorgen für Business auf Weltniveau. Weil Deals im großen Stil bekanntlich am liebsten bei Hummerschwänzen und Prosecco abgewickelt werden, muß Gastronomie her. Kein Problem: Übersee-Wirt Ladislav „Lazi“ Klein hat schon Interesse angemeldet, im drehbaren Restaurant in luftiger Höhe (eine schöne Reminiszenz an den Berliner Fernsehturm) feine leichte Bistro-Küche anzubieten. Klein auf Anfrage unserer Zeitung: „Bremen hat die Chance, zum Messeplatz im Norden zu werden. Da mache ich mit.“

Das Kulenkampff-Projekt findet in der Stadt immer mehr Anhänger, die die faulen Kompromisse, die bei 10 Meter Traufhöhe enden, leid sind. Finanzkräftige Befürworter sind auch bitter nötig, sollen die 120 Millionen Mark Baukosten aufgebracht werden. Als Architekt ist übrigens kein geringerer als Helmut Jahn im Gespräch. Nur konsequent, hat Jahn doch maßgeblich dazu beigetragen, daß die Skyline Frankfurts ihr heutiges Gesicht bekam – und ihren Ruf. Ein erster Schritt zur Finanzierung ist bereits getan, die Büroflächen gehen weg wie warme Semmeln.

Erstaunlich gleichwohl, daß ganz oben auf der Liste der Interessenten eine Institution steht, die bislang in einem pittoresken Bremer Haus im Schnoor residiert. Das Institut für Niederdeutsche Sprache platzt dort nämlich aus allen Nähten. Instituts-Leiter Frerk Möller: „Die Präsenz des Niederdeut-schen läßt sich in unseren kabuff-ähnlichen Räumlichkeiten im Schnoor nicht mehr angemessen darstellen. Da kommt uns der Messeturm gerade recht.“ Auf die Frage, ob sich das expansive Institut nicht finanziell verheben könnte, parierte Möller: „Die corporate identity im Schnoor ist suboptimal. Das wird im Messeturm anders sein. Wir glauben deshalb, den break even point bald erreicht zu haben.

Ähnlichen Optimismus förderten unsere Recherchen auch bei weiteren zukünftigen Mietern im Messeturm zutage, so denn hier wirklich der Grundstein gelegt werden sollte. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, was nicht zuletzt der Magnetwirkung der neuen Ladenzeile am Nordausgang des Hauptbahnhofes zu verdanken ist. Bedeutende Filialisten und Discounter ventilieren derzeit den Gedanken, aktiv zu werden. Kulenkampff hat eine Hotline einrichten lassen – und die steht nicht still: „Parfümerie Douglas, Mister Minit, Fielmann, Nordsee klopfen schon bei mir an.“

Daß zwischen Verträgen, Immobilien und Warentermingeschäften die Kultur nicht zu kurz kommen darf, weiß der rührige Baustaatsrat natürlich. Und hat sich persönlich an die renommierte Bremer Shakespeare Company gewandt, die eine weitere, größere Spielstätte auf der Bürgerweide erhalten soll. Kulenkampf hatte es besonders die jüngste „Kaufmann von Venedig“-Premiere der Company angetan. Nichts weniger als der krönende Abschluß des Messeturms soll für die Kentrup-Truppe reserviert sein. Star-Architekt Helmut Jahn zögerte keine Sekunde, als er hörte, für wen er eine für Bremer Verhältnisse modifizierte Version des klassischen Rund-Theaters kreieren sollte. Auf telefonische Anfrage bestätigte Jahns Pressesprecher: „Helmut Jahn hat sich derzeit zum brain storming in die schottischen Highlands zurückgezogen, um ungestört über das Rundtheater im Messeturm nachdenken zu können.“ Company-Mitarbeiter Norbert Kentrup über die großzügige Offerte: „Endlich ein Umfeld, das uns gerecht wird. Wir kommen gerne. Wenn es sein muß, schon morgen.“

Nun, ganz so schnell schießen die Bremer nicht. Zwar will sich besonders die GEWOBA, der Kulenkampff einst vorstand, für den Neubau einsetzen, doch wann über dem 148. Stockwerk der Richtkranz hängen wird, ist noch unsicher; im Gespräch ist die Jahrtausendwende. Klar ist hingegen, daß es Abschied nehmen heißt vom Namen Bürgerweide. „Zu provinziell, zu viel Kuh im Spiel“, sagt der alerte Pensionär Kulenkampff. Und, geflüstert: „Mir schwebt „Business and more“-Boulevard vor. Da kriegen wir vom Wort her auch noch den Klangbogen unter.“ Mu