Kurden distanzieren sich von PKK

■ Organisationen bieten PKK-Chef Öcalan die Stirn. Außenminister Klaus Kinkel fordert Syrien und Libanon auf, Öcalan zu stoppen. Genscher appelliert an die türkische Regierung für eine politische Lösung

Berlin (taz/dpa) – Die Drohungen von Abdullah Öcalan, Chef der PKK, deutsche Touristen in der Türkei anzugreifen und Selbstmordattentate in Deutschland zu verüben, werden von hiesigen Behörden ernstgenommen. Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz schließen solche Anschläge, wie sie in Israel von fanatischen Muslimen verübt werden, nicht mehr aus.

Unterdessen haben kurdische Organisationen, darunter auch der Dachverband „Komkar“, Öcalans Drohungen scharf verurteilt. Metin Incesu, der Vorsitzende des Kurdischen Informationszentrums in Bonn, beklagte in der FR, nun werde es noch schwerer, in der Öffentlichkeit zu vermitteln, daß man friedlich für ein Selbstbestimmungsrecht der Kurden kämpfe. Sertaç Bucak, der Vorsitzende des Internationalen Vereins für Menschenrechte in Kurdistan, sagte, Öcalans Drohungen kosteten „dringend notwendige“ Sympathien deutscher Bürger für den Wunsch der Kurden nach Frieden und Freiheit. Zugleich aber machten beide Kurdenvertreter die Politiker von Bund und Ländern mitverantwortlich für die Situation. Sie würden Kurden pauschal verurteilen. Außerdem habe das Verbot der PKK keine Ausschreitungen verhindert und einige Kurden erst in die Arme der PKK getrieben. Die so gescholtenen Politiker meldeten sich gestern auch zu Wort. Hans-Dietrich Genscher, ehemaliger Außenminister von der FDP, forderte die Türkei auf, bald eine politische Lösung der Kurdenfrage zu präsentieren. Er sagte: „Deutschland kann erwarten, daß die türkische Regierung jene Entfaltungsmöglichkeiten für Kurden schafft, auf die alle Menschen Anspruch haben.“ Gleichzeitig warnte er die Bundesregierung, von schärferen Ausländergesetzen eine „Lösung für das Problem in Deutschland zu erwarten“. Klaus Kinkel, FDP, forderte Syrien und Libanon auf, dafür zu sorgen, daß Öcalan „die terroristischen Aktivitäten“ stoppt.

Einen Einblick in die innere Struktur der PKK-Kampfgruppen gibt ein Aussteiger, den der Spiegel heute zitiert. Das politische Verhalten von illegalen PKKlern wird mit Zeugnisnoten zensiert, wer in wilder Ehe mit einer Frau lebt, darf geohrfeigt werden. Wer erpreßt wird und nicht zahlt, der muß mit Zwang rechnen, auf die Geldstrafe folgt die Schlägerkolonne. „Unter den Fahnen der PKK geht es zu wie in einer Sekte“, heißt es. Der Aussteiger war 1992 von der PKK als Asylbewerber nach Deutschland eingeschleust worden. Im Februar 1994 stellte er sich der Berliner Polizei. Seine Ausführungen untermauern, was bislang über die PKK-Struktur vermutet wurde. Die abgeschottete Kader-Partei ist streng von oben nach unten durchorganisiert. Die Befehle erteilt Abdullah Öcalan, der sich entweder in Syrien oder im Libanon aufhält. Seine illegalen Kämpfer operieren als „Europäische Frontzentrale“, ohne festen Aufenthaltsort. Sie ordnen Aktionen an, die streng konspirativ geplant und durchgeführt werden. Kein Kader der unteren Linie darf jeweils mit einem Zwischenchef in Kontakt kommen.

Dem Bericht zufolge finanziert sich die PKK durch Erpressungen. Aus dem geschlossenen Kreis der Konspirativen scheint es kaum ein Entrinnen zu geben. Aussteiger müssen damit rechnen, entführt zu werden. roga