Grüne kokettieren mit den Schwarzen

■ Debatte um schwarz-grüne Koalitionen wird von den Grünen neu angeheizt. Lafontaine: Farbenspiel vernebelt Denken

Berlin (taz/AP/dpa) – Das war kein Appetitmacher. Der FDP-Generalsekretär, Guido Westerwelle, reagierte magenverstimmt auf das am Wochenende neu entflammte Annäherungsgeplänkel von Schwarzen und Grünen: „Schwarz-Grün paßt zusammen wie Lakritz und Spinat.“

Auch dem SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine sind die Avancen, die grüne RealpolitikerInnen der CDU nach den hohen SPD-Verlusten bei den drei Landtagswahlen seit einer Woche machen, sauer aufgestoßen. Er griff die Grünen gestern in einem taz-Interview an und bezweifelte deren Fähigkeit zur „linken Reformpolitik“: „Es ist an der Zeit, daß auch die Grünen die Worte ,mea culpa‘ lernen und ihre Selbstgerechtigkeit aufgeben.“ Darüber, ob die Sozialdemokraten in Bonn wieder mit der FDP zusammengehen wolle, mochte er nicht spekulieren: „Die ständige Farbendiskussion vernebelt nur das Denken.“ Die rot-grüne Option sei „kein Farbenspiel“, sondern müsse „mit Inhalt gefüllt werden“. Er kritisierte die Positionen der Grünen zu militärischen Interventionen Deutschlands im Ausland, zur Aussiedlerpolitik, zu Menschen- und Steuerrecht.

Währenddessen appellierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Rudolf Dreßler, in der Magdeburger Volksstimme am Sonntag an seine Partei, sich „rechtzeitig“ vor der Bundestagswahl – „also etwa im Frühjahr 1998“ – eindeutig zu Rot-Grün zu bekennen: „Wir schaffen es nicht allein.“ Nachdem sich Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) für die nächste Bundestagswahl bereits der FDP versprochen habe, sollen die Sozialdemokraten das gleiche mit den Grünen tun, sagte Dreßler.

Der haushaltspolitische Sprecher der Bundes-Grünen, Oswald Metzger, hatte zuvor „Berührungspunkte“ mit der CDU bei der Steuerpolitik gesehen – zumindest bei einzelnen Abgeordneten der Unionsparteien. Er konstatierte eine „Ernüchterung“ vieler grüner Parlamentarier in der Zusammenarbeit mit den KollegInnen von der SPD.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Rezzo Schlauch dachte am Samstag laut darüber nach, zumindest künftig „eine Festlegung auf Bündnisse mit der SPD“ zu vermeiden. Der „Automatismus“ müsse durchbrochen werden. „Jüngere Christdemokraten“ halte er außerdem für durchaus reformfähig, zum Beispiel „im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts“.

Vorsichtiger reagierte Vorstandssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Krista Sager, auf Fragen von Bild am Sonntag. Sie wolle „solche Überlegungen“ frühesten in einigen Jahren anstellen: „Bis zur Bundestagswahl 1998 wird es für uns auf Bundesebene keinen anderen Partner als die SPD geben.“ Aber langfristig, so Sager, denke auch sie, „daß wir uns aus der Gefangenschaft der SPD befreien müssen“. Bei jungen CDU-WählerInnen hat sie „große Sympathien für grüne Themen“ ausgemacht: „Die interessantesten Diskussionen finden zwischen jungen CDU- und Grünen-Wählern statt.“

Ihr Kollege Joschka Fischer sagte dem Focus, er sehe die „letzte Chance für Rot- Grün“ bei der Bundestagswahl 1998. Seine Partei müsse „weiter in die Mitte ausstrahlen“. Fraktionssprecherin Kerstin Müller konterte: „Die politische Mitte ist von der FDP besetzt.“

Auch der grüne Vorstandssprecher, Jürgen Trittin, wollte die Zukunftsperspektive eines „Reformbündnisses“ mit der SPD nicht „vorschnell“ aufgeben. Das Zusammengehen mit den Sozialdemokraten sei, sagte er der Chemnitzer Freien Presse, die derzeit einzige Alternative zur bestehenden Bundesregierung und außerdem „die einzige Machtoption“ der Grünen. Heide Platen Debatte Seite 10; Lafontaine-Interview Seite 12