Arbeitslos oder Croupier?

■ Die Bremer Spielbank trainiert mit StudentInnen den perfekten Wurf am Roulette

Grelles Neonlicht beleuchtet die drei Roulette-Tische. Noch spielen sie nur das Spiel mit dem Glück: die studentischen Aushilfs-Croupiers im Übungsraum der Bremer Spielbank.

Seit Anfang Januar läuft der Kurs für die studentischen Hilfskräfte in der Böttcherstraße. Ein Dutzend Studierende trainieren vier Monate lang fünf mal in der Woche das Hantieren mit den Jetons. „Manchmal, nach einem anstrengenden Uni-Tag, muß ich mich schon abends hierher schleppen“, meint die Elektrotechnik-Studentin Kathrin Mesmer. Doch trotz des harten Trainings: Sie freut sich auf das Abenteuer, das sie erwartet: „Zu sehen, wie die Gäste reagieren, wenn sie gewinnen oder verlieren, ist für mich ein echter Nervenkitzel.“

Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Hunderte von Jetons fliegen über den grünen Filz der Roulette-Tische. Jeder gibt bei der Landung ein sanftes Klacken von sich. Wolfhard Malcharczik, Croupier seit über 20 Jahren, leitet den Kurs. Er geht von Tisch zu Tisch und zeigt dem Nachwuchs die Kniffe beim Plazieren, Linieren und Stapeln der Spielmarken. Einziges Werkzeug dabei ist das Rateau, der Rechen, mit dem die Jetons auf dem Tisch bewegt werden. Drei Jungcroupiers sitzen am unteren Ende des Roulette-Tisches und plazieren die Einsätze, wobei sie versuchen, nicht mit den Rateaus ins Gehege zu kommen. Blitzschnell sausen die Finger über den Tisch.

Wenn es im Spielsaal ernst wird, muß jeder Wurf mit den Jetons genau sitzen. Wird ein gesetztes Stück von einem geworfenen Jeton derangiert, kann ein Gast schon mal die Nerven verlieren. „In allen Situationen emotionslos und sachlich bleiben“, lautet deshalb die Devise von Wolfhard Malcharzik. Das ist nicht gerade einfach, wechseln doch an manchen Abenden schon mal mehrere 100.000 Mark den Besitzer.

Angesichts solcher Beträge sind 17 Mark Stundenlohn für die studentischen Aushilfen eher bescheiden, liegt die Arbeitszeit doch zwischen 18 und 2 Uhr morgens. Für die Studierenden wird das niedrige Gehalt durch Sozialleistungen versüßt: „Wir bekommen Kranken- und Urlaubsgeld,“ sagt Kathrin Mesmer. Das ist bei Studenten-Jobs eine Ausnahme. Obendrein sind sie nicht auf das Trinkgeld der Spieler angewiesen, wie ihre festangestellten Kollegen. „Bei der Einteilung der Dienstpläne werden die von den Studierenden gewünschten Arbeitstage zu 90 Prozent berücksichtigt, damit sie Vorlesungen und Arbeit in Einklang bringen können,“ sagt Wolfhard Malcharzik.

Sein Vorgesetzter, der stellvertretende Spielbankdirektor Dieter Bröhl, lobt dagegen gerade die Flexibilität der Studis: „Sie ergänzen unseren Mitarbeiterstamm hervorragend, weil sie in Krankheitsfällen schnell einspringen können.“ Er betont die guten Erfahrungen mit StudentInnen vorausgegangener Kurse. „Einige haben ganz umgesattelt und die vage Hoffnung auf einen Job nach dem Studium gegen den Arbeitsplatz am Roulette-Tisch eingetauscht.“ Claudia Amroth, Juristin im Referendariat, sieht den Kurs für sich als zweites Standbein: „Bei der drohenden Arbeitslosigkeit habe ich hier die Möglichkeit, nach eineinhalb Jahren fest anzuheuern.“

Die Juristin hofft, daß bis dahin die jüngsten Veränderungen in den Steuergesetzen wieder rückgängig gemacht werden. Denn seit diesem Jahr müssen Nacht-, Sonntags- und Feiertagsverdienste versteuert werden. Das aber sind genau die Zeiten, zu denen es in der Spielbank brummt. Bis zu dreißig Prozent Lohn-Einbuße haben die Croupiers deswegen hinnehmen müssen. Für Ausgleichszahlungen durch den Arbeitgeber trat ein Teil der Croupiers Anfang Februar in den Warnstreik.

Im Sommer legen die Nachwuchs-Croupiers ihre Abschlußprüfung ab. Wer bestanden hat, kann dann in den maßgeschneiderten Smoking steigen, der von der Spielbank gestellt wird. Für sieben Stunden, unterbrochen von viertelstündigen Pausen nach jeder Stunde, müssen die Nachwuchs-Croupiers dann wie ein Uhrwerk funktionieren. „Bitte das Spiel zu machen,“ heißt die Aufforderung an die Gäste. Daß einige der Gäste diese Aufforderung zu genau nehmen werden – immerhin sind 70 Prozent Stammgäste – und sich um Kopf und Kragen spielen werden, dürfte gewöhnungsbedürftig sein. „Gerade am Anfang wird es ein bißchen schwierig sein,“ vermutet Teilnehmer Lars Düring, „weil ja große Summen über den Tisch wandern. Da darf man sich natürlich keine Fehler erlauben.“

Volker Siefert