Kriminelles aus der Gartenlaube

■ Neu aufgelegt: „Der Frauenmörder“, ein Trivial-Krimi aus den 20er Jahren

Eine leichte Gänsehaut stellt sich schon beim Titel ein. „Der Frauenmörder“. Und dann die Kapitelüberschriften. „Überführt!“ heißt es mit Nachdruck oder auch: „Das große Rätsel“. Abgebrühte Krimi-LeserInnen werden Hugo Bettauers Roman aus den 20er Jahren wegen allfälliger Harmlosigkeit gleich beiseitelegen. Die bessere Alternative ist aber: trotzdem lesen. Nämlich als Gegengift gegen die postmoderne Wahllosigkeit der Waffen, mit der – in Buch und Film – allerhand Personal vom Leben zum Tode befördert wird.

Nicht so bei Bettauer. Vier junge Frauen sind Opfer eines Mörders geworden, scheint es. Von ihnen fehlt jede Spur. Angelockt wurden sie über vielversprechende Annoncen eines blonden Mannes mit Kneifer, der sich in der Havelgegend bei Berlin „ankaufen“ wollte. Der Frauenmörder ist noch aktiv. Die Fräulein Müller, Möller, Jensen und Pfeiffer haben überstürzt ihr möbliertes Zimmer aufgegeben und warden nicht mehr gesehen.

Ein Fall für Krause. Noch so ein Allerweltsname? Mitnichten. Krause ist von Haus aus von Adel und heißt Joachim von Dengern. Ein Justizirrtum hat ihm seinerzeit übel mitgespielt. Nach ein paar düsteren Jahren Zuchthaus hat er seinen eigenen Fall meisterhaft aufgeklärt, die Kriminalpolizei war fasziniert. So kam von Dengern zu seiner Stelle bei der Kripo. Seitdem arbeitet er lieber unter Pseudonym.

Schritt für Schritt läßt Hugo Bettauer seinen Detektiv dem Täter auf die Spur kommen. Und ohne einen einzigen auszulassen. Keine Rück-, keine Vorgriffe, keine komplexen Seitenstränge, die sich zum Finale drang- und absichtsvoll verdichten. Bettauer erzählt im heiteren parlando-Ton, ohne analytische Schärfe, trivial. Die Syntax: gediegen wie die Wortwahl. Das Getriebe des Berlins der 20er Jahre thematisiert Bettauer stilistisch gar nicht, inhaltlich zumindest als nichts Bedrohliches. Bettauer erfreute sich eines breiten Publikums; ein Hauch „Gartenlaube“-Atmosphäre durchzieht den Roman. Unbedenklich, ihn versehentlich liegenzulassen. Für minderjähriges Lesepublikum des „Frauenmörders“ bricht bei der Lektüre keine Welt zusammen.

Um unsägliche menschliche Abgründe geht es Bettauer auch gar nicht. Sein literarischer Impetus bohrt weniger tief und siedelt lieber im Allzumenschlichen wie dem Geltungsdrang eines gewissen verkannten Poeten, dem für den Ruhm jedes Mittel recht ist. Und den die Liebe immer neu befeuert ...

Nur so viel sei verraten von den unermüdlichen Ermittlungen Krauses. „Der Frauenmörder“ ist als Band 2 der Reihe Kriminalromane bei der Bremer Achilla Presse erschienen. Das Umschlagmotiv hat man aus der Erstausgabe übernommen, ein zottiges schwarzes Monstrum mit gebleckten Zähnen, auf der Schulter eine weiße Frau. Typographisch weitgehend liebevoll auch die Seitengestaltung, bloß auf dem Backcover prangt riesengroß die ISB-Nummer. Trotzdem: Bibliophil gesehen allerhand Buch fürs Geld. Alexander Musik

Hugo Bettauer: Der Frauenmörder, Achilla Presse 1995, 137 S., 20 Mark