„Gegen die ganz große Pinselschwingerei“

■ Aus der Akademie ins Museum: Wie lebt es sich als junger Star der Kunstszene? Ein Gespräch mit Tobias Rehberger, der Skulpturen im Kölner Kunstverein zeigt

taz: Seit einem Jahr stellen Sie in den bekanntesten deutschen Galerien, Museen und Kunstvereinen aus. Wie wichtig ist bei einer solch rasanten Karriere die Ausbildung an der Kunsthochschule?

Tobias Rehberger: Für einige Leute ist sie bestimmt ein Verhinderungsort. Aber sie bietet immerhin ein geheiztes Atelier und, wenn es gut läuft, trifft man auch noch ein paar Kollegen, mit denen man etwas anfangen kann.

Sonst halten Sie die Studienzeit für ein zweifelhaftes Unternehmen?

Man kann nicht einfach auf einen richtigen Weg geschickt werden. Im Kern kann einem, glaube ich, keiner helfen, eher an den Rändern, und sei es bei so einfachen Fragen wie „wo bekomme ich einen guten Schlosser her?“, oder wenn man morgens gesagt bekommt, daß man das T-Shirt falsch herum anhat. Das Beste ist, wenn man in der Zeit, da man selbst herauszufinden versucht, worum es bei der eigenen Arbeit geht, im Professor jemanden kennenlernt, der schon lange dabei ist.

Es ist auffallend, daß in Texten und Rezensionen zu Ihren Arbeiten immer betont wird, daß Sie Schüler von Martin Kippenberger waren. Thomas Bayrle dagegen wird nicht einmal erwähnt.

Allerdings. Ich nehme mal an, das liegt hauptsächlich daran, daß Bayrle heute als Künstler unverdienterweise relativ unbekannt ist. Mit Kippenberger ist es genau das Gegenteil. Der ist verdienterweise relativ bekannt. Das hängt bei ihm auch damit zusammen, daß er öffentlich eine bestimmte Haltung verkörpert. Es ist so, daß in der Kunstkritik über solche Lehrer- Schüler-Verhältnisse bestimmte Urteile festgeklopft werden. Das geht so weit, daß Kritiker von Redaktionen in meine Ausstellungen geschickt werden und einen Verriß zu schreiben haben, weil es diese Beziehung zu Kippenberger gab.

Woran liegt das? An Kippenberger als Reizfigur?

Kippenberger ist ein ständig wiederkehrendes Mißverständnis. Und dieses Mißverständnis scheint sich manchmal auf die Beurteilung der Arbeit seiner Schüler zu übertragen. Wahrscheinlich muß Kippenberger damit leben, daß ihm immer wieder dumm und fälschlicherweise hauptsächlich „Heil- Hitler-Grüße“ unterstellt werden. Er ist von Anfang an auf so einen Witz reduziert worden...

...das hat er ja auch sehr leichtgemacht...

...ja klar, aber das ist es gerade, was seine Arbeit unter anderem ausmacht: daß er einem einfache Argumente anbietet, die einen bloßstellen, wenn man sie benutzt.

Sehen Sie keine Gefahr darin, daß Ihre Karriere ständig im Zusammenhang mit dem Über-Vater Kippenberger betrachtet wird? Sie hatten ja auch schon eine Ausstellung bei seiner Galeristin.

Ich bin nie in den „Genuß“ gekommen, daß Kippenberger mir Ausstellungen zugeschustert hätte, auch wenn er vielleicht mal ein gutes Wort für mich eingelegt hat. So total nahe waren wir uns auch nicht. Im ganz engen Zirkel war ich nie drin. Von der einen Seite wird einem immer unterstellt, man sei Günstling der anderen Seite. Daß jemand meine Arbeit gut findet und er deswegen andere Leute auf sie hinweist – was soll ich dagegen haben? Das könntest ja auch du sein.

In Ihrer Laufbahn gibt es eine sehr stringente Entwicklung: Akademie, beachtete Gruppenausstellungen, eine Einzelausstellung im Fridericianum Kassel, jetzt der Kölnische Kunstverein. Gibt es in der Bildenden Kunst doch so etwas wie eine Strategie des Aufsteigens?

Ich mache Ausstellungen gerne dort und dann, wenn ich merke, daß der Ort, die Umstände und die Leute, mit denen ich dann zusammenarbeite, eben passen. Aber es gibt keine Strategie, die eine Auswahl von Galerien, in denen ich ausstelle, bestimmt. Wie soll das auch gehen? Ich höre die Geschichten über meine „tolle“ Karriere immer wieder. Im Endeffekt ist das sowieso keine interessante Frage.

Ihre Arbeiten passen zumindest recht gut ins traditionelle Schema der Kunstproduktion und -vermittlung. Gibt es eine Perspektive, da herauszukommen? Zum Beispiel mit Gruppenarbeiten, die versuchen, in soziale Kontexte einzugreifen?

Die sogenannte traditionelle Schiene interessiert mich zumindest soweit, als daß für mich ein Museum oder eine Galerie kein neutraler Ort ist. Kunst im Krankenhaus etwa ist deshalb so schlecht, weil sich die, die das machen, im Krankenhaus gar nicht auskennen. Das sind ja auch Künstler und keine Kranken.

Wie kommt die Vorliebe zu schon vorhandenen Artefakten aus Kunst, Design und Architektur zustande, die in Ihren Arbeiten im Vordergrund stehen?

Das ist, als würden dir ständig rothaarige Frauen auffallen, wenn du eine neue Freundin mit roten Haaren hast. Wenn mich etwas beschäftigt, drängen sich durch diese Beschäftigung Dinge auf, die zur ursprünglichen Idee gut passen. Ich möchte mich auch nicht nur für eine Sache interessieren müssen, so daß ich dann Sexualitäts-, Innen/Außen- oder Identitätskünstler bin.

Es geht also um den Abstand zur Realität – und um den Abschied von der genuinen künstlerischen Kreativität?

Dieser Abstand ist ganz zentral. Ich sehe mich eher als ein Werkzeug einer Maschine, das in der Lage ist, die Systematik und das von dieser Maschine erzeugte Geflecht sichtbar zu machen. Dieses Original-Reproduktions-Motiv hat mich nie interessiert – das war ja schon mehrmals ein Mißverständnis. Mich interessiert, wie etwas zu seinem Umfeld steht. Mir geht es nicht primär um bestimmte Kontexte, in die ich Gegenstände bringe, sondern um die Vielfalt der Beziehungen, in denen etwas gesehen werden kann – wenn bei der Skulpturen-Arbeit etwa jemandem gefällt, daß ein Modell gut zur Farbe der Wand paßt, vor der er steht. In diesen ganzen Beziehungen, die sich da öffnen, gibt es keine Hierarchie. Zumindest keine, die von mir gesteuert ist. Das ist in der Kunst heute auch völlig unmöglich: daß man auf etwas Bestimmtes zielt. Da kommt höchstens gute Absicht raus. Werbeleute arbeiten so, die müssen auf eine Message hinarbeiten. Die können das auch viel besser.

In einigen Fällen erinnert diese Arbeitsweise sehr stark an Bastelei.

Das war für mich damals ein Versuch der Abkehr vom Künstlertum. Also gegen große Pinselschwingerei und Herz-auf-der- Leinwand und so. Die Bastelei als die Übernahme einer diskreditierten, kleinbürgerlich-doofen Position: Schatz, ich geh' jetzt in den Hobbykeller. Die Bastelarbeiten sind jedoch schon ziemlich alt, so ca. sechs Jahre. Die Widerstandshaltung, die sich in ihnen ausgedrückt hat, ist inzwischen etwas abgenutzt, und in dieser Form nicht mehr verwendbar. Interview: Martin Pesch

Tobias Rehberger: „Peuè Seè Faàgck Sunday Paàe“. Bis 21. 4., Kölnischer Kunstverein.