Niederländisch-Nigeria

■ Nach 20 Jahren Pause wieder Probebohrungen im Wattenmeer

Schiermonnikoog (taz) – Aafke Teakema, Galeristin auf der kleinsten bewohnten niederländischen Watteninsel Schiermonnikoog, ist böse: „Die NAM spielt den Nikolaus, besticht die lokale Bevölkerung mit einem asphaltierten Fahrradweg oder renovierten Denkmal. Wer für die Natur ist, bekommt dagegen den Schwarzen Peter zugespielt.“ Sie steht in einem Versammlungssaal in Schier'oog, hinter ihr besagt ein schlichtes Plakat: „Größerer wirtschaftlicher Erfolg, weniger ökologisches Bewußtsein“. Den Naturschützern geht es um die letzten Naturparadiese der Niederlande. Diese wissen auch die Vertreter der NAM, der „Nederlandse Aardolie Maatschappigj“ (Niederländische Ölgesellschaft) zu schätzen. Auch wenn die Nigeria-Veteranen Esso und Shell Anteile der NAM halten, lassen sie durchblicken: So wie unten in Afrika werden die es in der Wattensee garantiert nicht treiben.

Es geht um schätzungsweise 20 Milliarden Gulden (etwa 18 Milliarden Mark), werden doch zwischen 130 und 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Boden rund um die Inseln vermutet. Die NAM will von Oktober an herausfinden, ob, wo und wieviel Gas tatsächlich in den sieben bislang ausgewiesenen Feldern im Wattenmeer zu finden ist.

Seit die NAM in den 70er Jahren wegen Protesten geplante Bohrungen verschoben hat, bekam die Gemeinde Ameland jährlich 45.000 Steuergulden. Man ist dort auch damit zufrieden, daß zwischenzeitlich aufgebaute Produktionsanlagen am Ostende der Insel durch Anpflanzungen so gut wie unsichtbar seien. Jan Nagtegaal, Eigentümer eines Campingplatzes und Liberaler im Gemeinderat, beschwichtigt: „Die Nachteile für die Umwelt sind minimal. Der Boden ist nur 14 Zentimeter gesackt, wir hatten an einige Zentimeter mehr gedacht.“

Inzwischen hat die NAM in Den Haag angemahnt, ab Oktober müßten nun doch die Bohrer ran. Außerdem wolle man 100 Millionen Gulden ausgeben, um mögliche Umweltschäden zu kompensieren, dadurch würden die Gesamtbohrkosten auf 240 Millionen auflaufen.

Hans Revier, Direktor der „Waddenvereinigung“, warnt dennoch: „Die Dynamik der Wadden ist unvorhersebahr, deshalb sind es auch die Risiken des Bohrens. Das konnte man gut im Winter sehen, es gab enormen Eisgang. Was wäre da mit einem Bohrturm passiert? Die Umweltverträglichkeitsprüfung, die sogenannte MER, hat das überhaupt nicht berücksichtigt. Die hat statt dessen ausgesagt, so ein Eisgang käme statistisch gesehen nur einmal in fünfzig Jahren vor.“ Aber vor den Überschwemmungen zwischen Rhein und Waal, habe es auch geheißen, so was käme nur alle 250 Jahre vor. Die Natur würde sich nun mal nicht um derlei Risikoberechnungen scheren.

Das wissen die Schatzsucher der Öl- und Gasfirmen und des Staates auch. Mit einem Heer von Geologen, Biologen, Beamten und Juristen rücken sie ein zum Überzeugungskampf in die nördlichen Provinzen Friesland und Groningen sowie auf den vorgelagerten Inseln. Auf Schiermonnikoog haben die Bewohner den Sprüchen wie „Die Chance auf einen Unfall ist idiotisch klein“ doch nur ein bißchen Wut und das Gefühl von Ohnmacht entgegenzusetzen. Ed van Zutphen