Nachgefragt: Gewerkschafter raus
■ Interview mit Hartmut Perschau
Der Angestellenkammer steht das Wasser bis zum Hals – trotz der 13,4 Millionen Mark Zwangsbeiträge, die die Kammer jährlich von den Angestellten im Lande Bremen kassiert. Im Februar hat der Landesrechnungshof die Finanzgebaren der Kammer scharf kritisiert. Wirtschaftssenator Hartmut Perschau (CDU) hat jetzt auf den Bericht des Landesrechnungshofes reagiert und der Kammer geschrieben. Außerdem will er das Kammergesetz ändern.
Herr Perschau, die Angestellenkammer hat dieser Tage Post von Ihnen bekommen. Was haben Sie den Kammerfunktionären geschrieben?
Hartmut Perschau, Wirtschaftssenator: Ich habe in meinem Schreiben Bezug genommen auf den Bericht des Landesrechnungshofs, in dem er eine ganze Reihe von Ausgaben kritisiert hat. Zunächst einmal beanstandet der Rechnungshof ja die Nichtanwendung der Landeshaushaltsordnung. Außerdem kritisiert er, daß Ausgaben auch für Nichtmitglieder der Kammer getätigt wurden. Er beanstandet die Stadtteilarbeit der Kammer, die mit dem Zweck der Kammer nicht unmittelbar vereinbar ist. Im wesentlichen wird aber die zu enge Verknüpfung von Kammer und Gewerkschaftstätigkeit kritisiert, insbesondere daß in der Vollversammlung und natürlich auch im Vorstand ausschließlich Gewerkschaftssekretäre sitzen. All das ist in der Tat beanstandungswürdig. Das habe ich auch der Kammer geschrieben und Sie gebeten, bis zum 6. Mai dazu Stellung zu nehmen.
Die Angestellenkammer untersteht als Körperschaft des öffentlichen Rechts ja Ihrer Aufsicht. Sie haben jetzt einen neuen Entwurf für ein neues Arbeitnehmerkammergesetz in der Schublade, der Mitte April veröffentlicht werden soll. Ist darin auch eine stärkere Kontrolle der Kammer vorgesehen?
Ja, aber selbstverständlich.
Wie soll die aussehen?
Das Wahlverfahren muß geändert werden, damit künftig auch andere Gruppierungen außerhalb der Gewerkschaften eine Chance haben, Mitglieder in die Vollversammlung und in den Vorstand zu wählen. Außerdem müssen die Aufgaben der Kammer wieder auf ihren eigenen rechtlichen Auftrag zurückzuführt werden.
Im Arbeitnehmerkammergesetz ist dieser Auftrag derzeit sehr vage formuliert. Die Arbeitnehmerkammern hätten die Aufgabe, im Einklang mit dem Allgemeinwohl die Interessen der Arbeitnehmer im Lande Bremen in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht zu fördern, heißt es dort. Worin soll nach ihrem Gesetzentwurf denn der rechtliche Auftrag der Kammer bestehen?
Die Kammer soll sich um die Interessen der Kammermitglieder kümmern und nicht Stadtteilarbeit, allgemeine Kulturarbeit oder Sozialarbeit leisten. Die Kammer muß wieder eine Einrichtung werden, die sich den Mitglieder verpflichtet fühlt, die ja durch Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträge an die Kammer gebunden sind.
Ich glaube einfach, daß die Kammer eine zu breit angelegte Arbeit gemacht hat. Und daß die Kammer als gewerkschaftliche Domäne betrachtet worden ist. Das ist sicherlich falsch und muß geändert werden.
Apropos Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträge: Für viele ist die Angestellenkammer ohnehin ein alter Zopf, der abgeschnitten werden muß. Wäre es nicht am einfachsten die Kammer ganz abzuschaffen?
So weit würde ich nicht gehen. Die Kammer soll sich wieder auf ihre Aufgaben besinnen. Ansonsten hat sie eine lange Tradition im Land Bremen. Diese Tradition sollte man fortsetzen.
Fragen: Kerstin Schneider
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