„Alles Provokationen“

■ KurdInnen glauben nicht, daß die PKK Morddrohungen gegen Klaus Kinkel ausspricht: „Wir wollen den Frieden“

Der Mann in Uniform blickt in die Ferne. Im Arm hält er ein Maschinengewehr. Ein rot-gelber Zipfel des Emblems der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) ist durch seine Armbeuge gerade noch zu erkennen. „Das ist ein Freiheitskämpfer“, sagt ein junger Kurde. Unbekannt sei der, genau wie der da drüben auf dem anderen Photo.

Auf dem dritten Bild im „Deutsch kurdischen Solidaritätsverein“ ist Halim Dener. Im Juli 1994 hatte ein Polizist den sechzehnjährigen Kurden in Hannover erschossen. Dener klebte gerade Plakate für eine kurdische Solidaritätsveranstaltung.

„Für die deutsche Regierung sind wir immer die Terroristen“, sagt eine junge Kurdin. Jüngstes Beispiel seien doch die angeblichen Morddrohungen gegen Aussenminister Klaus Kinkel und Bundeskanzler Helmut Kohl. „So eine Drohung von Abdullah Öcalan gibt es nicht“, sagt sie.

„Gegen mich hat es Morddrohungen von PKK-Anhängern gegeben“, hatte Kinkel dem Kölner „Express“ gesagt. Im Außenministerium wollte sich gestern niemand dazu äußern. In dem Interview sei alles gesagt, sagte eine Sprecherin von Kinkel. Als Ersatz für eine Pressemitteilung faxte sie das Interview zwischen der Boulevard-Zeitung und dem Minister.

Auch gegen den Bundeskanzler habe es Morddrohungen gegegben, hieß es. Doch auch die Bundesregierung wollte die Behauptung weder bestätigen noch dementieren. „Zu Sicherheitsfragen geben wir keine Auskünfte“, sagte eine Sprecherin des Bundesregierung.

„Öcalan will den Frieden“, sagt ein anderer Mann im Bremer Vereinslokal über den PKK-Führer. Seit vier Monaten hielten immerhin die PKK-Milizen den einseitigen Waffenstillstand im türkischen Teil Kurdistans ein. Solche Morddrohungen könnten nur vom türkischen Geheimdienst in Deutschland lanciert worden sein. „Das sind Provokationen der deutschen Regierung – die will uns einschüchtern“, glaubt ein anderer.

Im Café des „deutsch-kurdischen Solidaritätsvereins“ sitzen rund 30 Männer und Frauen. Die Äußerungen Kinkels erhitzen die Gemüter. Nährboden für Legenden und Spekulationen wird gelegt. Von ihnen sei niemand Mitglied der PKK, sagen sie übereinstimmend. Sympathisieren ja, denn wer sonst kümmere sich um das kurdische Volk?

Seit 60 Jahren unterdrücken und vernichten wechselnde türkische Regierungen die Kurden. Die deutsche Regierung setzt voll auf die Regierung in Ankara: Sie lieferte deutsche Waffen an die türkische Armee, die auch im Krieg in Kurdistan eingesetzt werden. Nach dem PKK-Verbot in der Türkei, verbot im November 1993 auch Innenminster Manfred Kanther die Partei in Deutschland. Kein anderes westliches Land außer Deutschland steht so bedingungslos zur türkischen Regierung. Selbst nachdem gewählte kurdische ParlamentarierInnen zu langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden, zuckte Bonn nicht zurück.

„Die PKK ist die legitime Befreiungspartei Kurdistans“, sagen die KurdInnen im Bremer Vereinslokal. Weder sie noch die Menschen in Kurdistan stünden hinter der altstalinistischen PKK-Ideologie. Doch allein 70 Prozent der Bevölkerung Kurdistans hat die kurdische Partei Hadep bei den letzten Wahlen im November gewählt. Und selbst die staatliche türkische Handelskammer hat herausgefunden, daß 55 Prozent der KurdInnen mit der PKK sympathisieren.

„Die PKK schlägt in den Herzen des kurdischen Volkes“, sagt ein Bremer Kurde. Da gäbe es keinen Zwang, keine Repressalien. „Man muß die Menschen aus dem Schlaf erwecken“, glaubt er. Wie die PKK das macht, verschweigt er. Dann könnten sie ihr Land befreien. Aber Morddrohungen? „Kein Kurde würde so etwas sagen.“ ufo