Touristen auf Individualtrip

Seit dem 1. April erlauben Stadttouren mit „Open Door“-Bussen eine beliebig lange Unterbrechung der Sightseeing-Route durch Berlin  ■ Von Barbara Bollwahn

Selbstbestimmung ist angesagt. Nun auch für Touristen. Mußte man bisher für die gesamte Dauer einer Stadtrundfahrt still in der Reihe sitzen und durfte höchstens zum Knipsen aussteigen, können Touristen jetzt den Bus verlassen, wenn ihnen danach ist. Authentisch kann man dann Schlamm von den Baustellen am Potsdamer Platz nach Hause tragen, einen Kaffee trinken oder das Pergamonmuseum in aller Ruhe besichtigen. Danach können sie in einem nachfolgenden Bus weiterfahren – Berlin ganz unbürokratisch.

Was für Touristen größere individuelle Entfaltung bedeutet, ist für die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr die „Erprobung neuer Verkehrsformen“. Denn eigentlich schreibt das Personenbeförderungsgesetz zum Schutz des Linienverkehrs vor, daß Touristen mit ein und demselben Bus starten und ankommen müssen. Doch man habe sich zu dem vorerst auf ein Jahr begrenzten Experiment „durchgerungen“, so Peter Goehrmann von der Senatsverwaltung, weil es um die Profilierung des Tourismus gehe.

Die Unternehmen, die sich am Unternehmen „Open Door“ beteiligen wollen, müssen einige wenige Bedingungen erfüllen: Sie müssen ein „schlüssiges Haltestellenkonzept“ vorweisen und dürfen an den Ein- und Ausstiegspunkten, die jeweils beantragt und genehmigt werden müssen, nicht länger als drei Minuten halten. Denn der „öffentliche Straßenraum“ soll nicht belastet werden. Weil sich die Preise für diese offenen Touren – für die bereits fünf Unternehmen die Erlaubnis haben – im 30-Mark- Bereich bewegen, muß die BVG auch keine Konkurrenz zum Linienverkehr befürchten.

Lothar Kastner von dem Unternehmen „Busverkehr Berlin“ begrüßt „den Mut und die Unterstützung“ der Senatsverwaltung. Ganz nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“ hat er sich mit zwei anderen Busunternehmen zu einem „Pool“ zusammengetan und bietet seit Montag die „City Circle“-Tour an. Alle halbe Stunden kann man nun an einem der zwölf Haltestellen zwischen Ku'damm, Mitte und Brandenburger Tor nach Lust und Laune ein- und aussteigen. Kastner kann bereits für den 1. April eine gute Bilanz ziehen. Etwa 250 Touristen hätten gleich am ersten Tag von dem Individualtrip Gebrauch gemacht.

Die Idee dafür ist aber nicht auf dem Mist der Senatsverwaltung gewachsen. Seit einiger Zeit schon drängen Unternehmen danach, das in Berlin zu tun, was beispielsweise in England seit über zwanzig Jahren gang und gebe ist. Klaus Natz, Leiter der Niederlassung des englischen Unternehmens „Guide Friday“, führt das Angebot der Senatsverwaltung auf den Druck seines Unternehmens zurück. Bereits 1994 habe „Guide Friday“ eine „Open Door“-Genehmigung beantragt, die bisher aber am „Paragraphendschungel“ gescheitert sei. Um so mehr freut sich Natz über den Trampelpfad, den die Senatsverwaltung jetzt geschaffen hat, und hofft auf viele Kunden.

Sollte sich das Projekt bewähren, verspricht die Senatsverwaltung eine Verlängerung des in Deutschland einzigartigen Modells. Referatsleiter Goehrmann hofft, daß die Unternehmen „untereinander Disziplin halten und sich nicht ins Gehege kommen“. Denn der Verkehrsexperte weiß: „Geht's um's Geld, ist jeder des anderen Teufel.“