Atempause für die Entwicklungshilfe

■ Der Etat für entwicklungspolitische Organisationen wurde im Nachtragshaushalt um 350.000 Mark gekürzt. Mittel für Projekte regierungsunabhängiger Organisationen konnten vorläufig gerettet werden

Den entwicklungspolitischen Organisationen der Stadt hat der Nachtragshaushalt 1996 eine Atempause verschafft. Dank des politischen Drucks konnten die Kürzungspläne des Senats abgemildert werden. Der Etat für die regierungsunabhängigen Organisationen (NGO), der zunächst gänzlich dem Rotstift zum Opfer fallen sollte, wird nun nur um zehn Prozent gekürzt.

Statt 850.000 Mark werden dieses Jahr noch 765.000 Mark zur Förderung von Projekten, Bildungs- und Informationsarbeit der NGOs zur Verfügung gestellt. „Wir sind nicht unzufrieden“, erklärte Robert Große vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) in Kreuzberg. Der öffentliche Druck auf die Koalitionspartner CDU und SPD habe sich gelohnt, obwohl die jetzt zur Verfügung stehende Summe für NGOs „eigentlich unhaltbar für eine Großstadt wie Berlin ist“.

Die Gefahr ist nur vorläufig gebannt. Im Mai steht die neue Steuerschätzung der Finanzverwaltung an, die einen weiteren Einnahmeausfall von 300 Millionen Mark bringen könnte. Im Sommer sollen dann im Senat die Gespräche über den Haushalt für 1997 beginnen. „Wir gehen davon aus, daß der Haushaltstitel für die NGOs verschont bleibt“, hofft Große.

Ingesamt wurde der entwicklungspolitische Etat im Nachtragshaushalt von 3,49 Millionen Mark auf jetzt 3,14 heruntergekürzt – also um rund 350.000 Mark.

Die Zuwendungen an die Carl- Duisberg-Gesellschaft wurden um rund zehn Prozent gestrichen und betragen nun noch 187.000 Mark. Das ASA-Studienprogramm erhält 23 Prozent weniger Mittel und pendelt sich bei rund 100.000 Mark ein. Die Berliner Gesellschaft für deutsch-türkische wirtschaftliche Zusammenarbeit muß mit 760.000 Mark auskommen – rund 30.000 Mark weniger. Weitgehend verschont wurden die Fortbildungskurse für Fachkräfte aus der Dritten Welt im Bereich „Rationelle Energieverwendung“: Sie erhalten in diesem Jahr 110.000 Mark, zehn Prozent weniger als veranschlagt. Um 63 Prozent wird der Regenwaldfond geschröpft – minus 50.000 auf nunmehr 30.000 Mark.

Um zehn Prozent heruntergefahren wurden die Mittel für das Entwicklungspolitische Informationszentrum, das jetzt 200.000 Mark zur Verfügung hat.

In der Schwebe ist hingegen die Zukunft des Internationalen Instituts für Journalismus. Die 1962 vom Verleger Axel Springer gegründete Institution erhält zwar noch bis Ende Dezember rund 520.000 Mark. 1997 aber, soviel ist sicher, werden aus dem Landeshaushalt keine Mittel mehr fließen. Ende März mußte das Institut seine Räumlichkeiten im Europa- Center kündigen. Die Zukunft der Schule ist ungewiß. Angestrebt werde, das Institut bei der Carl- Duisberg-Gesellschaft oder bei der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE) als Referat weiterzuführen, so Institutsdirektor Robert Lochner. Das Institut, aus dessen Förderung Springer bereits 1971 ausstieg und das seitdem anteilig vom Bundesministerium für Zusammenarbeit und dem Land unterstützt wurde, bietet jährlich Fortbildungskurse für 100 Journalisten aus der Dritten Welt an. Vor der Überweisung des Nachtragshaushalts an die Ausschüsse sollte der Etat für das Institut auf 220.000 Mark heruntergekürzt werden. Der Staatssekretär in der Wirtschaftsverwaltung, Dieter Ernst (CDU), setzte sich aber für eine Abmilderung der Sparsumme ein.

Weiterhin auf der Tagesordung bleibt für die NGOs die Einrichtung eines „Unterausschusses Entwicklungspolitik“ im Abgeordnetenhaus. Dies hatte der Senat schon 1992 in seinen „entwicklungspolitischen Leitlinien“ versprochen.

In die Debatte scheint Bewegung gekommen zu sein. Sowohl CDU, SPD und Bündnisgrüne hätten zugesagt, sich für dieses Parlamentsausschuß einzusetzen, so NGO-Sprecher Robert Große. Severin Weiland