■ Der V-Mann: Rafa
Krimi-Atmosphäre in der Suite eines Madrider Hotels. Zwei Bodyguards schauen hinter jede Türe und in jeden Schrank, mißtrauisch, ob ein Killer oder Fotograf versteckt sein könnte. Vor beidem hat unser Gegenüber Angst. Rafael Ferreras Fernandez, „Rafa“, war für den BND die zentrale Figur, die seit Mai 1994 jenen Deal eingefädelt hat, der BND und Bayerns Landeskriminalamt schmücken sollte.
Rückerinnerung: Am 10. August 1994 wurden auf dem Münchener Flughafen 363 Gramm Plutonium beschlagnahmt, frisch aus Moskau importiert. Die Scheinaufkäufer Adrian und Rafa als Lockspitzel vom BND sowie der verdeckte Polizist Walter Boeden hatten für 276 Millionen Mark die Täter verführt, den Bombenstoff in Rußland zusammenzutragen und per Lufthansa nach München zu liefern. Ein klarer Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Drei Täter sind seitdem in Haft, ein Kolumbianer und zwei Spanier. Aber ihrer Lieferung ging eine eindeutige „Tatprovokation“ der deutschen Behörden voraus, hielt schon 1995 das Münchener Landgericht fest. BND, LKA und Geheimdienst-Koordinator Schmidbauer bestreiten das bis heute und berufen sich dabei in gewisser Weise auch auf Rafa, der vor Gericht aussagte, das Material komme aus Berlin. „Alles Lüge“, bekräftigte Rafa jetzt und erhebt schwere Vorwürfe gegen den BND. Als die ZDF- Sendung „Kennzeichen D“ Teile des Interviews ausstrahlte, wies der BND Rafas Äußerungen erneut als „Unterstellungen“ zurück. Die taz veröffentlicht das Gespräch, von Rafa mit einer eidesstattlichen Erklärung autorisiert. Dabei nimmt der langjährige Geheimpolizist und Drogenfahnder der Guardia civil Ärger in Kauf, denn er bricht eine Schweigeverpflichtung mit dem BND. Wie glaubwürdig aber ist ein professioneller Dunkelmann? Rächt er sich nur, oder will er um ausgebliebene Honorare pokern? Reichert er Eigenwahrnehmung mit Phantasie an, oder ist er ehrlicher als die anderen? Ihn als Lügner abzustempeln wäre peinlich für den BND, schließlich haben ihn die Pullacher selbst angeworben. Bernd Schmidbauer hütet sich, Rafa als Lügner darzustellen. Er sei ein Mann, „dem man nicht trauen kann“ formulierte er vorsichtig im Dezember, um den V-Mann auf diese Weise anrüchig zu machen. Anders als Schmidbauer klebt Rafa nicht am Wortlaut vorbereiteter Stellungnahmen, sondern reagiert mit spanischem Temperament emotional und spontan; mit dem Risiko, in Details nicht immer ganz präzise zu sein. Auch wenn nur Zweidrittel seiner Angaben nachprüfbar sind, so machen sie deutlich, daß in der Plutoniumaffäre kräftig gelogen wurde und wird. Wir veröffentlichen Rafas Sicht der Dinge als einen wichtigen Mosaikstein in der Plutoniumaffaire – mit freundlicher Genehmigung durch „Kennzeichen D“. H. K.
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