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Keine grünen Reservate in Kiel

SPD und Bündnisgrüne treten in Koalitionsverhandlungen. Erstere will keine „Zeitenwende“, letztere setzen auf eine Koalition, die Rot-Grün bundesweit wieder attraktiv macht  ■ Aus Kiel Kersten Kampen

Kiel (taz) – SPD und Grüne in Schleswig-Holstein sehen zehn Tage vor Beginn der ersten Verhandlungsrunde gute Chancen für eine stabile Koalition. Der SPD- Landesvorsitzende Willi Piecyk erklärte gestern in Kiel, er sehe eine Reihe von programmatischen Gemeinsamkeiten mit den Grünen. Eine rot-grüne Koalition werde aber mit Sicherheit keine Zeitenwende bringen, sondern eine Fortsetzung sozialdemokratischer Politik mit grünen Aspekten.

Auch die Grünen blicken den Verhandlungen optimistisch entgegen. Anders als in Nordrhein- Westfalen sei die programmatische Nähe zwischen Grünen und SPD in Schleswig-Holstein eher gegeben, meinte der Bundestagsabgeordnete Rainer Steenblock. Unsicher sind die Grünen aber nach wie vor: „Wir wissen nicht, wie ernst die Sozialdemokraten uns nehmen“, meinte Landesvorstandssprecher Klaus Müller. Piecyk hatte zuvor erklärt, es hänge viel davon ab, wie stark der Realitätssinn bei den Grünen sei: Wie schnell sie begriffen, daß die Finanzspielräume sehr eng seien, daß es innerhalb der Koalition keine grünen Reservate gebe, daß auch unangenehme Dinge gemeinsam getragen werden müssen.

Die Grünen wissen bereits, daß ohne Geld keine Politik zu machen sei, meinte Müller. Aber ohne ein vernünftiges Klima nützte der schönste Sparhaushalt nichts, spielte der Grünen-Politiker auf den Streitpunkt, den Bau der Ostseeautobahn A 20 an. „Wir werden schon unsere Zähne zeigen“, meinte Müller. Rat holten sich die schleswig-holsteinischen Grünen gestern bei den Bundesvorstandssprechern Jürgen Trittin und Krista Sager. „Wir sind froh, daß sie uns nicht an die Hand nehmen und führen wollen, sondern daß uns gute FreundInnen zur Seite stehen, die uns beraten“, kommentierte Müller den Besuch der Bundespolitiker gestern in Kiel.

Glaubt man den Worten von SPD- und Grünen-Funktionären, soll auf keinen Fall eine „Konfliktkoalition“ entstehen. „Kraftmeierei war noch nie unsere Sache“, meinte Müller. Auch Piecyk pochte darauf, daß es nicht Sieger und Verlierer geben dürfe, sondern ein „fairer Interessensausgleich“ das Ziel sei. Dazu brauchten SPD und Grüne eine faire Chance für die Verhandlungen. Ziel der Grünen sei es, eine Koalition zustande zu bringen, die Rot- Grün auch wieder eine bundesweite Ausstrahlung gebe und in der Bevölkerung positiv definiert werde, so Steenblock. Piecyk erklärte auch mit Blick auf den Bundesrat, an erster Stelle müssen die schleswig-holsteinischen Interessen stehen, „aber wenn es hier nicht gutgeht, wird es in Bonn nicht leichter werden“.

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