Kap Anamur will in Sarajevo Minen räumen

■ Das Bundesausfuhramt in Eschborn erteilte die Exportgenehmigung für die notwendige Schutzkleidung erst gestern. Dennoch soll die Suche nach den Minen schon morgen beginnen

Der Minenräumer der deutschen Hilfsorganisation befindet sich bereits auf dem Weg in die bosnische Hauptstadt. Doch für die Schutzkleidung der Minensucher bedurfte es einer besonderen Genehmigung des Bundesausfuhramtes in Eschborn. Zwanzig Aluminiumhelme mit Visier und zwanzig Schürzen mit angenähten Ärmeln und Kragen sowie gepanzerte Beinschützer fallen nämlich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz und dürfen nicht ohne Genehmigung exportiert werden.

Rupert Neudeck, Exchef von Kap Anamur, beklagt, daß die Politik an höchster Stelle Krokodilstränen über die Scheußlichkeit von Landminen vergießt, aber den Organisationen, die praktisch etwas tun wollen, immer wieder Knüppel zwischen die Beine wirft. Erst nachdem die Herstellerfirma der Schutzkleidung einen Mitarbeiter nach Eschborn entsandt und Kap Anamur einen gleichlautenden Antrag eingereicht habe, sei die Genehmigung endlich erteilt worden. Dabei wird gerade diese Schutzkleidung dringend gebraucht, da sie die Experten vor den Splittern einer explodierenden Mine schützen kann. Auch wenn die Schutzkleidung erst in Tagen vor Ort eintrifft, will die Hilfsorganisation morgen mit der Minenräumung beginnen.

An der ehemaligen Frontlinie in Grbavica direkt am Fluß Miljacka ist ein Gebiet von zwei Kilometern Länge total vermint. Auch Häuser und Kindergärten in dem ehemals serbisch besetzten Stadtteil müssen dringend geräumt werden, damit die Heimkehrer nicht in die tödlichen Fallen laufen.

Vor Ort in Sarajevo halten sich schon Minensuchspezialisten, Ärzte und weitere Mitarbeiter von Kap Anamur bereit. Einer der erfahrensten Minensuchspezialisten dieses Teams ist der ehemalige NVA-Offizier Uwe Seliger. „Der ist total minenverrückt, der denkt nur an Minen, der denkt sich in sie hinein, der hat in drei Jahren in Angola 100.000 Minen unschädlich gemacht“, sagt der Arzt Sebastian Dietrich. Seliger ist der Leiter des Minensuchprojekts von Kap Anamur in Sarajevo.

„Wir werden lokales Personal anheuern, Leute, die schon lange mit der Minensuche vertraut sind“, verrät Jörg Klosinski, ebenfalls Mitarbeiter von Kap Anamur in Sarajevo. Wie sein Kollege ist er mit den Gegebenheiten in Grbavica vertraut. Beide waren in einem Projekt, das noch vor dem Abzug der serbischen Behörden sozial schwache, alte und gebrechliche Leute betreute. Die meisten ihrer Klienten sind inzwischen in die serbischen kontrollierten Gebiete Bosniens übergesiedelt.

„Ich habe in den letzten vierzehn Tagen vor der Übergabe in Grbavica gelebt und alles hautnah mitbekommen“, erzählt Sebastian Dietrich. Er blieb auch über Nacht in dem Schutzhaus des UNHCR, wo verängstigte BürgerInnen, die bleiben wollten, von ihm betreut worden sind. „Leider waren andere Instiutionen wie das Rote Kreuz an den entscheidenden Tagen weggetaucht. Immerhin haben italienische Ifor-Soldaten sich noch mit uns bemüht, Leute aus brennenden Häusern zu retten, auch die Johanniter haben geholfen.“

Von den großen Hilfsorganisationen halten die beiden nach diesen Erfahrungen nicht mehr allzuviel. Und sie übertragen diese Erfahrungen auf das Minenprojekt. „Wir müssen einfach die Minensuche starten, sonst passiert lange nichts.“ Würden die Minen nicht bald unschädlich gemacht, würden viele Menschen verletzt oder getötet werden.

Die Aktion von Kap Anamur stößt jedoch nicht nur auf begeisterte Unterstützung. In der bosnischen Verwaltung ist Zurückhaltung zu spüren. Dahinter steht die Befürchtung, Kap Anamur werde die wenigen Spezialisten beschäftigen, über die die Stadt verfügt. Die Stadtverwaltung kann bei den Gehältern nicht konkurrieren, bisher kann sie gar nichts zahlen. Auch sei das Problem der Entsorgung der Minen nicht gelöst. Am besten sei ein gemeinsames Projekt, so die bosnischen Behörden.