Gedankenraub

■ Film-Essay über Copyright: Sonic Outlaws

Man sieht ihn an vielen Windschutzscheiben kleben. Der „Corporate Rock, still sucks“ - Aufkleber des SST-Labels gilt immer noch als Ausweis für einen Geisteszustand, der gerne unter Independent, Underground oder Gegenkultur gefaßt wird. Für die Rock-Mythologie tut der Angriff von U2 auf das kalifornische Label ein übriges. 1992 hatte deren Major-Label Island die, bei SST veröffentlichende Band Negativland unter Bezugnahme auf das Copyright-Gesetz verklagt. Die Richter befanden Negativland für schuldig, nicht nur das U2-Bandlogo benutzt, sondern auch deren Hit „I Still Haven't Found What I'm Looking For“ parodistisch entstellt zu haben. Negativland wurde zu 90.000 $ Bußgeld verdonnert, die beanstandeten Platten wurden eingestampft. Nun war es aber nicht so, daß SST die schützende Hand über ihre Band hielt, sondern das Label wälzte alles auf das Medienprojekt aus San Francisco ab.

Diese Auseinandersetzung nimmt der Filmemacher Craig Baldwin in Sonic Outlaws als Ausgangspunkt zu einem filmischen Essay über Copyright im Medienzeitalter, das den persönlichen Besitz von Bildern und Tönen bis an seine Grenze strapaziert. Da wird die Kulturguerilla von der B.L.O., der „Barby Liberation Organization“, gezeigt, wie sie das Sprachmodul von Barby-Puppen mit dem Spruch eines männlichen Spielzeug-Soldaten vertauscht, um auf die Geschlechterstereotypen bei Kinderspielzeug hinzuweisen. Ferner Ausschnitte aus der Gerichtsverhandlung der 2Life Crew, die Roy Orbisons „Pretty Woman“ auch weiterhin sexistisch parodieren dürfen. Und eine Büste des Künstlers Jeff Koons, die auf gerichtlichen Beschluß zertrümmert werden mußte, weil sie einer Fotografie allzu sehr ähnelte. Dabei drängt sich der Verdacht auf, daß auch hier die US-amerikanische Rechtsprechung von der Qualität der Anwälte abhängt, die man sich leisten kann.

Doch Negativland, denen in dem rasant geschnittenen Film viel Platz eingeräumt wird, gehen noch einen Schritt weiter. „U2 ist die Bezeichnung eines Aufklärungsflugzeugs, also müßte der Hersteller Lockheed euch verklagen“, greifen sie am Telefon „The Edge“ von U2 an. Mit Rückgriffen auf die Situationisten und den Dadaisten John Heartfield, der Collagen und Rekontextualisierungen von bestehendem Material zu einer politischen Waffe machte, zweifeln sie einen rechtlichen Schutz von Bildern und Tönen an und schlagen, wie in der Wissenschaft, Fußnoten statt Geld als Ausgleich vor. Denn, wie ein Mitglied von Negativland ausruft, als er gerade einen Telefonanruf aus der Nachbarschaft abhört: „Die Schallwellen sind frei!“

Volker Marquardt ab heute, 22.30 Uhr, Alabama