So kann es weitergehen

■ Ingo Metzmacher mit der Jungen Deutschen Philharmonie

Der Dienstag abend war ein Triumph für Ingo Metzmacher, den kommenden hamburgischen Generalmusikdirektor. Dabei war das Programm metzmachermäßig gewagt. Und die Junge Deutsche Philharmonie, vermeintlich ein Musikstudentenorchester, keines von den hundertprozentigen Transportmitteln zum Erfolg.

Aber schon die Auswahl – Deutscher Tänze Mozarts zum Beginn – verriet, wohin die Reise ging: Ins Land überraschender Klangerlebnisse. In der reifen Instrumentationskunst des späten Mozart waren das der Ton einer Drehleier, zweier Posthörner, diverser Schellen (Die Schlittenfahrt, K. 605) und höchst kunstvoller Verlagerungen der Orchesterfarben von Streichern zu Holz- und Blechbläsern, musiziert mit der Tanzseligkeit des einstigen Partylöwen Mozart von jungen Musikern, die von Anfang an mit Frische, Wachheit und der schäumenden Kraft ihrer Jahre ein kaum ins Gewicht fallendes Manko an Perfektion voll ausglichen.

Helmuth Lachenmann (geb. 1935) erläuterte beim Konzert auf Kampnagel am Montag abend seine folgende Tanzsuite mit Deutschlandlied von 1979/80 selbst, eine dem Werk günstige Voraussetzung, die die Besucher am Dienstag abend in der Musikhalle schmerzlich entbehrten. Denn kaum jemand ist in der Lage, den Beginn der Nationalhymne eigenständig herauszuhören aus der kunstvoll in eine Folge verschiedener Geräuschphänomene verfremdeten Melodie.

Das Arditti Quartett gestaltete engagiert und versiert den Solopart. Lachenmanns differenzierte Klanglandschaften, durch die allgemein bekannte Hörhilfen wie der 6/8-Takt glücklicherweise ein wenig hindurchhalfen, wirkten in der geschlossenen Akustik der Musikhalle anschaulicher als an der Jarrestraße. Das Publikum war begeistert, was erstaunlich ist bei einer Musik, die sich jedem sinnlichen Reiz mit aufrechter Konsequenz verweigert. Lachenmann selbst riet seinen Hörern netterweise, in der Pause vor dem Stück ein Glas Wein zu trinken, da die Musik ihnen recht trocken werden könnte.

Nur am Dienstag folgte nach Lachenmann und Pause mit Mahlers 1. Sinfonie die ganze Klangpracht des spätromantischen Orchesters. Metzmacher wußte viel anzufangen mit dem vielbefahrenen Werk. Er spornte das junge Orchester, das hier gänzlich als Spitzenensemble brillierte, zu höchster Explosivität an bei gleichzeitig höchster Durchsichtigkeit und Sorgfalt. Das Materialhafte der Musik trat hervor, Mahlers ironisch nur scheinbar gebrochenes Verhältnis zur Triebkraft „Trivialität“. So könnte es weitergehen mit Metzmacher. Leider wird er es in Hamburg mit einem anderen Orchester zu tun kriegen.

Stefan Siegert