Schirm & Chiffre: Recht lang lebe der Apparat!
■ Droht der FU eine Abwicklung ihrer Internet-Dienste durch den Akademischen Senat?
Im Zeitalter von Talkshows als politischem Podium sind die Rede vom Wirtschaftsstandort Deutschland und die Beschwörung neuer Technologien anscheinend zu einer Art magischer Handlung geworden. Nun ist es tatsächlich einfacher, das Brandenburger Tor zu verschieben, als sich zu überlegen, wie man Deutschland in bezug auf die Netztechnologien der Zukunft auf Vordermann bringt. Oder wie kommt es, daß die Leitung der Freien Universität ausgerechnet den zentralen Diensten der Zentraleinrichtung für Datenverarbeitung (Zedat) den Garaus zu machen versucht und damit faktisch eine Abwicklung der universitären Internetdienste droht?
Der Akademische Senat der FU hat gerade eine Kürzung der laufenden Mittel der Einrichtung um 44 Prozent sowie eine Streichung von acht Vollzeitstellen beschlossen. Den festangestellten Mitarbeitern wird zwar nicht gekündigt, ihre Stellen werden aber nicht wieder neu besetzt. Ihre Kollegen, die nur über Zeitverträge verfügen, können nicht auf Verlängerung hoffen. Durch die Mittelkürzungen müssen bestehende Wartungsverträge für die Netzhardware gekündigt werden. Da ungefähr 50 Prozent der ursprünglich veranschlagten Mittel bereits gebunden sind, hätten die Kürzungen die Handlungsunfähigkeit der Zedat zur Folge.
Die Zedat versorgt rund 9.000 Studierende und Universitätsangehörige sowie die Fachbereiche, die noch nicht über eigene Netzanbindung verfügen, mit Zugängen zum Internet. Für viele Studenten, Doktoranden, Professoren und universitäre Projekte ist das Internet zum wichtigsten Werkzeug akademischer Recherche und zur Nummer eins unter den Kommunikationsmedien für internationalen Austausch geworden. Viele Informationen werden inzwischen ausschließlich im Netz publiziert, die wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichen Artikel lange vor deren Druck elektronisch. Die Gestaltung und Nutzung des Internet durch die Universitäten kann als Modell für die elektronisch vernetzte Gesellschaft gelten.
Die Ankündigung der „strukturellen Anpassung“ der Zedat, wie sich der Kanzler ausdrückt, wird mit dem verständlichen Zwang zum Sparen begründet. Die Universitätsleitung unterschlägt dabei allerdings die Tatsache, daß die Zentraleinrichtung bereits vor einem Jahr einer gründlichen, den Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrates folgenden Neustrukturierung unterzogen wurde. Mit dem Verlust engagierter Mitarbeiter ginge der Zedat ganz nebenbei Know-how verloren, von dem man wissen könne, daß es das wohl wichtigste Kapital darstellt. Das Informatikinstitut, das im Zusammenhang mit den Einsparungen genannt wurde, kann – da sind sich Insider einig – keinesfalls die an der Zedat eingesparten Leistungen erbringen.
Die Ankündigung hat eine heftige Diskussion in diversen Usenetforen ausgelöst, inzwischen wurden alle Zedat-User via E-Mail informiert. Für ein technopolitisches Informationsdefizit des FU-Managements spricht, daß die gesamte Führungsriege noch nicht über E-Mail-Anbindung verfügt.
Andererseits, so wurde in einem Posting in der Newsgroup „bln.announce.fub.zedat.d“ gemutmaßt, könnte sich der Vorstoß vor allem gegen die „mächtigen, langlebigen Apparate der Zentraleinrichtungen“, deren Monopole und ihre semiautomatische Stellung innerhalb der Unihierarchie richten. Andere landesweite Netzwerkorganisationen könnten bereits als zukünftige universitäre Dienstanbieter anvisiert worden sein. Denn der Plan, die Auffahrt der FU zur Infobahn tatsächlich zu schließen, ließe sich rational nur als massiver Akt von Autoaggression erklären. Daran zu glauben fällt nun wirklich schwer. Ulrich Gutmair
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